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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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Sozialrevolutionäre werden auch noch dran glauben müssen, spätestens dann, wenn die Kollektivierung ansteht. Die Bolschewiki gaben den Bauern Land, das hat ihnen viel Sympathie eingebracht. Wenn sie es ihnen wieder wegnehmen, gibt es einen Aufstand und also noch mehr Terror. Noch mehr Terror schafft noch mehr Feinde. Am Ende werden Abweichler in der Partei unterdrückt, und es gibt ein Diskussionsverbot, weil die genialen Führer immer recht haben.«
    Welch düstere Prophezeiung. Zacharias wusste nicht, was er antworten sollte. Sie kannte die Lage in Russland erstaunlich gut, als wäre sie dort gewesen. Und sie ahnte wenigstens Lenins Pläne. Rosa konnte sich in das Den ken der bolschewistischen Führer hineinversetzen. Wenn sie recht hatte, bewegte sich die Sowjetmacht auf einen Abgrund zu. Und wenn sie gestürzt wurde? Schlagt die Bolschewisten und die Juden tot! Für die Weißen waren Bolschewisten und Juden das gleiche. An die Stelle der Sowjetmacht träte ein weißes Mordregime.
    Sie fuhren durch Spandau. Auf dem Bürgersteig erkannte Zacharias eine Milizstreife, der Anblick beruhigte ihn. Am Ortsausgang stießen sie auf eine Straßensperre, aber die Rotarmisten erkannten schnell, wer in der Kolonne fuhr, und ließen Rosa und die Revolution hochleben.
    »Vielleicht ist es falsch, dass ich diese Reise mache. Die Moskowiter in der Zentrale warten doch nur darauf, dass sie eine Zufallsmehrheit bekommen. Die fehlen nie auf Sitzungen. Genosse Zacharias, unter uns, sind Sie auch ein Moskowiter?«
    Zacharias hoffte, dass sie seinen Schreck nicht merkte. »Nein«, sagte er. Aber verriet ihn nicht der Tonfall?
    Sie schaute ihn an, wiegte leicht ihren Kopf. »Ich glaube, Sie sind einer.« Dann lachte sie. »Sei’s drum, der Genosse Lenin kann alles wissen, was ich tue.«
    Zacharias spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. Hoffentlich sieht sie es nicht. Wie konnte sie mich entlarven? Oder rät sie? Gewiss hat sie erfahren, dass ich Friesland kenne.
    »Unser Genosse Friesland war ja sogar Volkskommissar in Sowjetrussland. Der kann gar nicht verheimlichen, dass er immer noch Bolschewik ist.«
    »Ich war kein Volkskommissar«, sagte Zacharias.
    »Irgendwas werden Sie schon gewesen sein. Aber das macht nichts. Sie glauben nicht, wie sehr ich mich danach sehne, dass die Revolution in Russland doch siegt. Wenn sie verliert, werden die Engländer und die Franzosen und das andere Pack uns wegwischen wie einen Krümel auf dem Küchentisch. Meine Kritik an Lenin und Trotzki ist eine Kritik an Lenin und Trotzki, nicht an der russischen Revolution. Und bei aller Kritik erkenne ich an, dass Lenin und Trotzki diese Revolution leiten. Nun sollten wir uns doch der Internationale anschließen unter der Bedingung, dass sie ihren Sitz nach Berlin verlegt und alle Parteien gleichberechtigt sind und keine Befehlsempfänger einer allwissenden Zentrale werden.«
    »Die Bolschewiki wollen verhindern, dass die neue Internationale wird wie die alte.«
    »Das will ich auch, Verbindlichkeit der Beschlüsse. Aber das kann nicht heißen, dass wir eine Stelle einrichten, die Befehle erteilt. Ich sage offen, dass viele befürchten, eine Internationale, in der die Bolschewiki herrschen, wird ein militärisch organisierter Revoluzzerklub mit einem Maximum an Konspiration und einem Minimum an Demokratie. Wenn Sie jemand fragt, Genosse Zacharias, was die Meinung der Genossin Luxemburg dazu sei, Sie dürfen mich zitieren.« Sie lächelte und lehnte sich zurück. Die Erschöpfung hatte ihr Gesicht grau gefärbt.
    Der Fahrer machte eine Vollbremsung. Dann waren Schüsse zu hören. Sie standen auf einem freien Stück Landstraße. Zacharias sprang aus dem Wagen und zog die Mauser. Die Soldaten auf den Lastwagen waren abgesprungen und suchten Deckung. Zacharias ließ sich von einem Soldaten einen Feldstecher geben und suchte die Umgebung ab. Es war nichts Auffälliges zu sehen. Weit im Hintergrund eine schwache Rauchfahne, dort mochte ein Haus stehen.
    Rosa stellte sich neben Zacharias, er hatte nicht bemerkt, dass sie ausgestiegen war. »Was gibt’s?« fragte sie.
    »Weiß ich nicht. Irgendwo sind Schüsse gefallen. Zu sehen ist aber nichts.«
    »Lassen Sie uns weiterfahren. Wir kommen sowieso zu spät.«
    »Meine Aufgabe ist nicht, Sie pünktlich nach Hamburg zu bringen, sondern unverletzt.«
    Sie lachte. »Ist ja gut, Sie strenger Genosse. Aber ich möchte jetzt weiterfahren.«
    Zacharias gab den Soldaten einen Wink. Die saßen wieder auf, dann setzte sich

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