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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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die Kolonne in Bewegung. Zacharias fiel ein, es wäre besser gewesen, er hätte sich in den vorn fahrenden Lastwagen begeben, aber nun war es zu spät. Sie fuhren in hohem Tempo durch Ludwigslust.
    Kurz vor Hamburg gerieten sie in eine Straßensperre, die mit roten Fahnen geschmückt war. Die Sperre wurde von bewaffneten Zivilisten bewacht, die rote Armbinden trugen. Als sie Rosa erkannten, ließen sie sie hochleben. Sie war vor dem Krieg auf vielen Veranstaltungen gewesen und traf immer wieder Menschen, die sie als Rednerin erlebt hatten.
    In der Stadt sahen sie Plakate, die Rosas Rede für den 12. März ankündigten. Als sie das Gewerkschaftshaus erreichten, war der große Saal schon überfüllt. Vor der Tür standen Massen, die Beifall klatschten, als sie bemerkten, dass Rosa eingetroffen war. Die Führer des Hamburger Arbeiter-und-Soldaten-Rats begrüßten Rosa und ihre Begleiter überschwenglich am Eingang. Zacharias verstand kaum die Namen, da die Menschen auf dem Platz vor dem Gewerkschaftshaus immer wieder in Hochrufe ausbrachen, auf Rosa, auf Liebknecht, auf die russische Revolution, auf Lenin und Trotzki. Er hielt sich in Rosas Nähe und mühte sich, nicht abgedrängt zu werden.
    Bevor sie sprach, bat sie um einen Raum, in dem sie ungestört telefonieren könne, falls eine Verbindung nach Berlin möglich sei. Ein Mann mit Glatze und rotem Vollbart brachte sie in ein Zimmer, das offenbar einem Gewerkschaftsfunktionär gehört hatte. Rosa setzte sich an den Schreibtisch, Jogiches ihr gegenüber, Zacharias stellte sich an die Tür, der Vollbart stand draußen und achtete darauf, dass niemand hereinkam. Rosa erreichte die Vermittlung, und die schaffte es erstaunlicherweise, ein Gespräch zum Reichstag durchzustellen. Sie erwischte Haase.
    »Dritte Internationale, Lenin übertreibt … Wie hat sich Eberlein verhalten? … Stimmenthaltung? Hat er denn nicht gegen die Gründung protestiert? … Er wollte nicht unsolidarisch sein? … Ganz schön flau, der Genosse. Aber Hauptsache, die Revolution schreitet voran. Wie sieht es in München aus? … Großartig, hoffentlich können sie sich halten … Ja, ich habe einiges von ihm gehört, auf den Genossen Leviné können wir uns verlassen.«
    Sie legte auf und strahlte. »In München haben die Arbeiter die Macht.« Dann lachte sie. »Und Lenin hat tatsächlich seine Internationale gegründet, dieser Sturkopf. Eberlein hat sich enthalten, ein bisschen mau, aber sei’s drum. Es geht voran, Genossen.«
    Das Grau war aus ihrem Gesicht gewichen. Fast beschwingt verließ sie das Zimmer, der Vollbart brachte sie und ihre Begleiter zu einer Tür, die zur Bühne des Versammlungssaals führte. Rosa ging auf die Bühne, die anderen blieben an der Tür stehen.
    Ein Beifallssturm ertönte, als die Menschen Rosa sahen. Das ist der Lohn des Revolutionärs, der seiner Sache treu geblieben ist, dachte Zacharias. Jetzt, wo die Arbeiter und Soldaten Rosa sehen, glauben sie an die Revolution.
    Der Versammlungsleiter bat Rosa gleich ans Rednerpult. Bevor sie sprechen konnte, mühte sie sich, den Beifall zu beenden. Dann berichtete sie von der Revolution in München und den anderen Ereignissen, die sie aus Berlin erfahren hatte. Wieder Beifall, den sie mit ausgebreiteten Armen zu dämpfen suchte. Als es ihr gelungen war, erstickte sie die Freude, indem sie an die Aufgaben der Revolution erinnerte. Die Sozialisierung sei nur der erste Schritt zur sozialistischen Wirtschaft, und der sei noch nicht getan. Und wo die Arbeiter Fabriken unter ihre Kontrolle gebracht hätten, liege die Produktion darnieder, mangele es an Arbeitsdisziplin. Auch weil viele Arbeiter glaubten, im Besitz der politischen Macht könnten sie sich damit beschäftigen, während der Arbeitszeit durch die Dörfer zu ziehen, um Brot, Eier und Milch einzutauschen. Wenn dies so weitergehe, werde die Revolution binnen weniger Wochen an sich selbst zugrunde gehen.
    »Wenn wir nicht produzieren, können wir die Menschen noch schlechter ernähren als heute schon. Und jenen, die sich auf die angekündigte russische Hilfe herausreden, denen sage ich, man kann nur das Korn mahlen, das man hat. Und wenn man es hat, dann kann man es nur einmal mahlen. Wenn wir den Bauern keine Landmaschinen verkaufen können, weil wir keine herstellen, dann werden die Bauern uns keine Nahrungsmittel verkaufen. Wenn die Werftarbeiter keine Schiffe bauen, dann werden wir auf dem Weltmarkt keinen Zucker, keinen Kaffee, kein Getreide kaufen können. Und

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