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Das Luzifer Evangelium

Das Luzifer Evangelium

Titel: Das Luzifer Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Ewigkeit hier in der Sennhütte verstecken. Auf der Flucht zu sein, macht etwas mit einem. Man wird zur Beute. Jemand, der sich versteckt. Der darauf wartet, gefasst zu werden.
    »Es ist nur ein Angebot«, sagte er. »Ich kann den Brief auch gleich der Polizei geben.«
    »Nein, nein! Ich muss nur kurz nachdenken.«
    Da war der Vogel wieder. Er hatte ein Tier in den Klauen. Ich konnte nicht erkennen, was es war.
    Ich dachte: Ich könnte den ganzen Sommer hier wohnen. In der Hütte. In Juvdal. Kristin hätte sicher nichts dagegen. Hier würden sie mich niemals finden.
    Oder …
    Oder ich konnte etwas unternehmen.
    Unternehmen .
    Ich könnte angreifen. Aus meinem Versteck hervorkommen. Zum Gegenangriff übergehen.
    »Beltø? Hallo?«
    Ich folgte dem Raubvogel mit dem Blick, bis er nicht mehr zu sehen war. Er hatte sein Nest irgendwo an einem Felshang über der Baumgrenze. Gut verborgen. Unzugänglich. Wenn ich sowieso nach Paris muss, kann ich ja vorher über Amsterdam fahren und danach weiter nach Carcassonne und Rom. Ich könnte die Menschen aufsuchen, deren Schicksalsfäden auf unterschiedliche Weise mit dem meinen verknüpft waren. Ich konnte etwas tun. Etwas anderes, als mich zu verstecken. Auf der Flucht zu sein, ist ein Geisteszustand. Aus dem man früher oder später ausbrechen muss.
    »Selbstverständlich kann ich kommen.«
    »Gut.«
    »Ich kann noch nicht genau sagen, wann, möglicherweise dauert es ein paar Tage, aber ich komme!«
    »Sie waren gestern hier.«
    »Wer?«
    »Die Polizei.«
    »Das liegt wohl in der Natur der Sache.«
    »Da hatte ich den Brief noch nicht. Er lag heute Morgen in meinem Briefkasten. Ich …« Er konnte nicht mehr sagen. Am Tag zuvor hatte er so gefestigt gewirkt. Als hätte der Fund der Leiche seiner Tochter ihn in gewisser Weise beruhigt. Jetzt holte die Erkenntnis ihn mit all ihrer trostlosen Gnadenlosigkeit ein. »Die Polizei meinte …«
    Wieder war die Wahrheit zu schwer zu ertragen. Er brachte den Satz nicht zu Ende.
    »Ich habe jetzt ihre Telefonnummer«, sagte er stattdessen.
    »Was für eine Telefonnummer?«
    »Von den Leuten, nach denen sie gefragt haben. In Amsterdam. Ich schicke sie Ihnen als SMS, sobald wir aufgelegt haben. Den Namen und die Telefonnummer.«
    »Danke. Das wäre mir eine große Hilfe.«
    »Beltø?«
    »Ja?«
    Pause.
    »Monsieur Monnier? Sind Sie noch da?«
    »Beltø, wissen Sie, warum ich Ihnen den Brief zeigen will?«
    »Weil ich dort erwähnt werde?«
    »Weil ich hoffe, dass Sie dazu beitragen können, Marie-Élises Mörder zur Rechenschaft zu ziehen.«
    Das, dachte ich, ist viel verlangt.
    Aus dem einen oder anderen Grund lenkte Marie-Élise meine Gedanken auf Suzanne. Sie war auch viel zu früh gestorben. Zufällig war mein Blick vor ein paar Jahren auf ihre Todesanzeige gefallen. Statt Blumenschmuck bitten wir um eine Spende für die Krebsgesellschaft .
    Suzanne war das erste Mädchen, das ich geküsst hatte. Ich war sechzehn. Sie war blind.

ROM, MAI 1970

    »Giovanni?«
    Ihre Stimme schaffte es nicht ganz durch die Membran zwischen Schlaf und Bewusstsein. Im Traum stand er wie schon so oft zuvor von Angesicht zu Angesicht mit Beelzebub: dem Herrn der Fliegen, dem Meister der Dämonen, Luzifers Kommandant und Kaiser der Hölle. Der Atem des Dämons stank nach verwestem Fleisch und verfaultem Fisch. Er hatte seine ledernen Flügel um sich geschlagen, als fröre er, und sah Giovanni spöttisch an. Was willst du?, schrie Giovanni. Er war wieder ein Kind, und seine Stimme klang hell, dünn und ängstlich. Was willst du von mir? Warum verfolgst du mich? Beelzebub entfaltete seine enormen Flügel, die einen eiskalten Schatten auf Giovanni warfen. Komm, Kind!, brüllte der Dämon mit einer Stimme, die Giovanni sich genau so vorgestellt hatte: schroff, hohl und rau.
    »Giovanni? Bist du wach?«
    In dem gelbgrauen Nebel hinter Beelzebub erkannte er eine Heerschar von verkrüppelten Körpern und Dämonen; Se’irim und Shedim; einige nackt, andere mit Pelz oder Flügeln. Tierisches Gebrüll und grelle Schreie schallten aus dem nach Schwefel stinkenden Nebel zu ihm herüber. Intuitiv spürte er die Nähe von König Baal, Graf Furfur, Marquis Shax und den anderen mächtigen Dämonen. Aber dieses Mal sah er sie nicht. Beelzebub grinste höhnisch: Suchst du nach jemandem, Giovanni? Nach deiner Mutter vielleicht? Sie ist hier, weißt du, hier bei uns, dein Vater auch. Soll ich sie rufen? Rangniedrigere Dämonen hockten wie hungrige Geier auf kahlen Ästen und

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