dem Schweiß, der ihm das Hemd auf den Rücken klebte, war ihm kalt. Er zitterte wie im Fieber und musste sich anstrengen, das Gleichgewicht zu halten. Kontaktieren Sie niemanden. Keine Polizei . Er versuchte, seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. »Silvana!«, rief er. Es war als Frage gedacht, Geht es ihr gut? , kam aber wie ein Schluchzer über seine Lippen.
»Giovanni?« Lucianas Stimme näherte sich der Hysterie. Sie hatte begonnen, an seinem Hemd zu zerren, als wolle sie ihm die Kleider vom Leib reißen. »Was ist passiert, Giovanni? Was ist mit Silvana passiert?«
»Professor Nobile, wenn Sie nicht tun, was wir sagen, werden Sie und Ihre Frau Silvana nie wiedersehen.«
»Aber …«
»Verhalten Sie sich ruhig. Kein Wort zu niemandem. Und vor allem nicht zur Polizei. Haben Sie den Ernst der Situation erfasst?«
»Giovanni«, schluchzte Luciana.
»Professor Nobile?«
Er rang nach Atem. »Ja … ja ja ja!«
»Sie hören von uns.«
»Aber Silvana …«
Der Fremde unterbrach die Verbindung. Das Knistern in der Leitung wurde von einer Serie anderer Klicklaute abgelöst. Kastagnetten, dachte er. Dann war plötzlich eine ungeduldige Stimme in der Leitung: »Ja? Sie haben die Nummer der Polizei gewählt! Was wünschen Sie?« Die Stimme war heller als die vorige.
»Giovanni!« Luciana weinte und klammerte sich an ihn.
» Signore , Sie blockieren die Notrufleitung!«
»Tut mir leid.«
»Um was geht es?«
»Tut mir leid.«
Er legte auf, und seine Augen begegneten Lucianas Blick.
XI : Dirk und Monique
AMSTERDAM
5. JUNI 2009
1
Zögernd öffnete sie die Tür und sah mich durch den Türspalt an.
Der gutturale Laut kam tief aus ihrem Innern. Als wäre ein Albino vor der Tür das Erschreckendste, das einer Frau widerfahren konnte.
Durch den Türspalt, geschützt hinter der strammen Sicherheitskette, die unsere beiden Welten voneinander trennte, starrte sie mich mit weit aufgerissenen Augen an.
Hinter uns, auf der Keizersgracht, passierte ein Sightseeing-Boot. Die Fassaden der schmalen, adretten Backsteinhäuser spiegelten sich zitternd auf der Wasseroberfläche.
Sie schien in meinem Alter zu sein, sah aber sehr viel jünger aus. Braune Augen, blondes Haar, bronzener Teint. Dir, dachte ich wie so häufig, wenn ich mich einer attraktiven Frau gegenübersah, könnte ich leicht verfallen. Im Gegenzug schien ich ihr Todesängste einzujagen.
»Guten Tag«, sagte ich in meinem liebenswürdigsten Englisch, das zugegebenermaßen etwas holperig war. »Ich suche Dirk van Rijsewijk.«
Ihre Augen flackerten ängstlich. Sie machte Anstalten, mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
»Dirk van Rijsewijk?«, wiederholte ich. »Bin ich hier richtig?«
Sie schob eine in Plastik laminierte Nachricht durch den Türspalt. »Aan de deur wordt niet gekocht. Ga weg!« Ich war mir nicht ganz sicher, was das hieß. Aber Ga weg! hörte sich verdächtig nach Zieh Leine! an.
In der SMS von Louis-Ferdinand Monnier stand, dass Marie-Élises niederländischer Kontakt Dirk van Rijsewijk hieß, was mit der E-Mail-Adresse des Web-Profils dieser Monique übereinstimmte:
[email protected]. In einem internationalen Telefonbuch und im Ortsregister für Amsterdam hatte ich nach van Rijsewijks Adresse gesucht, doch ohne Erfolg, da die Telefonnummer, die Monnier mir gegeben hatte, geheim war. Ich hatte mehrmals versucht anzurufen – erst aus Juvdal, dann von verschiedenen Tankstellen und Rastplätzen zwischen Oslo und Amsterdam –, ohne durchzukommen. Dass ich am Ende dennoch die Postadresse herausgefunden hatte, hatte ich guter alter Detektivarbeit zu verdanken. Nach diversen Anrufen in Fakultäten, Verlagen und in Antiquariaten in Amsterdam, war es mir mithilfe einiger gutmütiger Kollegen gelungen, Dirk van Rijsewijk einzukreisen. Diejenigen, die ihn kannten, beschrieben mir van Rijsewijk als älteren Historiker, der seinen Lebensunterhalt als Fachbuchübersetzer, Sachverständiger für Altertumskunde und Experte für ausgefallene Handschriften verdiente. Angeblich ein kauziger, introvertierter Mensch. Dass er sich darüber hinaus mit dem Studium des Satanismus beschäftigte, war allen, mit denen ich gesprochen hatte, unbekannt. Dirk van Rijsewijk lebte mit seiner sehr viel jüngeren Ehefrau, die zugleich seine persönliche Sekretärin war, in der Keizersgracht. Offensichtlich eben der Frau, die sich in diesem Augenblick zusammenriss, mir nicht die Tür vor der Nase zuzuknallen.
»Bin ich hier richtig bei Dirk van Rijsewijk?«,