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Das Luzifer Evangelium

Das Luzifer Evangelium

Titel: Das Luzifer Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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    »Sie rufen sicher bald an.«
    Er stand auf und ging ans Fenster. Der Verkehr kam nur ruckweise voran. Die Normalität des Alltags war befremdlich. Verletzend. Ein junges Paar spazierte Arm in Arm den Bürgersteig entlang und lachte über etwas. Wie konnten sie lachen? Ein Motorroller schlängelte sich zwischen den Autokolonnen hindurch. Fußgänger hasteten unter dem Fenster vorbei über die Straße. Autos bremsten und hupten. Alles war wie immer. Aber Silvana war weg, entführt. Der Kontrast zwischen dem Alltäglichen und der Tragödie, die sie getroffen hatte, machte ihn gereizt, rastlos, ängstlich. Bella kam angetrottet und kratzte ihn mit der Pfote am Hosenbein. Sein Blick folgte einem Polizeimotorrad, das sich einen Weg durch den Verkehr bahnte. Im Treppenhaus ging eine Tür. Keiner von denen weiß, dass Silvana verschwunden ist . Er legte die Pfeife auf das Fensterbrett.
    »Möchtest du etwas trinken?«, fragte er.
    »Trinken?«
    »Ein Glas Wein, vielleicht?«
    »Nein, danke.«
    »Einen Drink?«
    »Ich habe keinen Durst.«
    »Für die Nerven, dachte ich.«
    »Nein, danke.«
    »Entschuldige, vielleicht ist es auch dumm.«
    Sie sah zu ihm hoch.
    »Kann es etwas mit der Handschrift zu tun haben?«
    Dieser offensichtliche Gedanke hatte ihn nicht einmal gestreift.
    »Giovanni?«
    »Du meinst Luzifers Evangelium ?«
    »Ja. Hast du meine Frage nicht gehört?«
    »Ich denke nach.«
    »Und zu welchem Ergebnis kommst du?«
    »So viel ist sie nicht wert. Natürlich könnte sie ein wenig Geld bringen, falls Luigi den richtigen Käufer findet, aber … Nein. Das wäre absurd. Ich habe noch nie gehört, dass jemand ein Kind entführt, um Lösegeld in Form einer Antiquität oder eines Kulturschatzes zu erpressen.«
    »Aber die Möglichkeit besteht?«
    »Natürlich besteht die Möglichkeit. Aber das ist doch völlig – absurd!«
    »Warum?«
    »Weil es unmöglich ist, so ein Kleinod auf dem Markt zu Geld zu machen.«
    »Wo ist die Handschrift?«
    »In der Universität.«
    »In deinem Büro?«
    »Bei Umberto. Darum hat er angerufen.«
    »Du musst sie ihnen geben.«
    »Die Handschrift?«
    »Wenn es das ist, was sie wollen. Hörst du, was ich sage?«
    »Natürlich! Glaubst du, ich bringe Silvanas Leben wegen eines alten Manuskripts in Gefahr?«
    Der Vorwurf kränkte ihn.
    »Tut mir leid, Giovanni. Natürlich nicht, das weiß ich doch. Ich habe es nicht so gemeint. Verzeih mir.«
    Er trat zu ihr und zog sie an sich.
    »Ich habe solche Angst«, flüsterte sie.
    »Ich auch.«
    *
    Er ging in die Küche und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Eine Kakerlake verschwand unter dem Spülschrank. Er aß ein paar Rosinen, ehe er das Glas ausspülte und zurück in den Küchenschrank stellte. Bella gähnte, als wollte sie einen Basketball verschlucken. Er ging ins Arbeitszimmer, um seine Gedanken zu ordnen. Ganz oben auf dem Stapel auf seinem Schreibtisch lag – wie eine unheilschwangere Zauberformel – eine seiner alten Dämonen-Listen. Er hatte vorgehabt, sie zu aktualisieren und die Dämonen den verschiedenen Religionen zuzuordnen. In dieser Liste hatte er, gestützt auf die Clavicula Salomonis , siebzig von ihnen in eine hierarchische Ordnung gebracht. Ohne das Hirn einzuschalten, glitt sein Blick über die Zeilen, die ihm vor ein paar Tagen noch so wichtig gewesen waren, ihm nun aber vollkommen bedeutungslos und akademisch absurd erschienen:
= DÄMONEN-VERZEICHNIS =
Basierend auf der Clavicula Salomonis mit
Referenzen auf die Clavis Salomonis und die
Pseudomonarchia Daemonum
    Von Giovanni Nobile
Rom, Juni 1969
    Laut Dämonenkatalog Clavicula Salomonis* aus dem siebzehnten Jahrhundert – der seinerseits auf dem noch älteren Werk Clavis Salomonis** zu basieren scheint – sind die Dämonen hierarchisch aufgeteilt in Könige, Prinzen, Herzöge, Grafen, Marquis, Präsidenten und einen Ritter (Furcas).
    Das Werk Pseudomonarchia Daemonum (Die Hierarchie der Dämonen) wurde vor der Clavicula Salomonis herausgegeben und zum ersten Mal als Anhang in dem Werk De praestigiis daemonum*** (1577) des holländischen Okkultisten und Dämonologen Johann Weyer veröffent-licht.
    * Das Werk ist auch unter dem Namen Lemegeton bekannt. Es ist (aller Voraussicht nach falsch) spekuliert worden, dass sowohl die Clavicula Salomonis als auch die Clavis Salomonis vom biblischen König Salomon verfasst wurden.
    ** Übersetzt bedeutet der Titel Salomons Schlüssel, während Clavicula Salomonis oft unter der Bezeichnung Salomons kleinerer Schlüssel

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