Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
hatte, eh er ihr ins Wort fiel. »Natürlich ist es laut, ich kann auch nicht schlafen, aber jeder Bundesbürger hat das Recht, mehrmals im Jahr in seinem Haus zu feiern und dabei Krach zu machen. Doch, Sie können ruhig die Polizei anrufen, die wird Ihnen auch nichts anderes sagen. Wie meinen Sie? Schon die vierte Party in diesem Jahr? Die Unzucht? Jetzt machen Sie sich nicht lächerlich! Wo denn? In der Hecke? Das dürfte doch reichlich unbequem sein. Woher wollen Sie das überhaupt wissen? So, das haben Sie gesehen. Ein küssendes Pärchen? Mit dem Feldstecher? Am besten bleiben Sie noch eine Weile auf Ihrem Posten, damit Sie nichts versäumen. Wieso unverschämt? Was hat denn das damit zu tun? Meine Tochter ist überhaupt nicht hier, sie ist seit gestern verreist. Vorige Woche? Nein, ich bestreite ja gar nicht, dass Julia ein Kinderrad hat, ich bestreite lediglich, dass Sie Gemüsebeete haben! Aber bitte sehr, das steht Ihnen frei. Mein Bruder kommt in drei Monaten zurück. Gute Nacht.«
Als er den Hörer wieder auf die Gabel legen wollte, kam der Apparat ins Rutschen und fiel zu Boden. Hoffentlich ist er kaputt, wünschte Florian, dann kann sich wenigstens niemand mehr beschweren.
Nachdem er seinen lädierten Fuß mit einer Brandbinde umwickelt – Hansaplast war mal wieder nicht dagewesen – und gegen weitere Attacken in einen soliden Schnürschuh gesteckt hatte, schlich er durch die Garage in den Garten. Frau Kaiserlings Beobachtung hatte ihn doch etwas beunruhigt.
Das unzüchtige Pärchen fand er nirgends, dafür wäre er beinahe über seinen Neffen gestolpert. Rüdiger lehnte am Kirschbaum und hielt eine halb geleerte Whiskyflasche im Arm. Neben ihm im Gras lag Benjamin. Melancholisch stierte er in sein Glas. »Das is ja sch-schon wieder leer. D-dabei will ich mir d-doch nur M-mut antrinken. Aber je mehr ich sauge, d-desto durstiger wird d-die Angst.«
Florian trat zwischen die beiden und nahm ihnen die Flasche weg.
»Mit Alkohol lassen sich keine Probleme lösen. Ihr habt sowieso schon mehr als genug!«
Verpliert sah Benjamin hoch. »Da sagst du w-was Wahres, Kumpel. Ich w-weiß nich, wie ich Bea b-beibringen soll, d-dass ich was mit ihr anf-fangen will.«
»L-lass das lieber b-bleiben! W-wird zu anstrengend. Erst m-musst du mit ihr j-joggen, d-danach ins Sch-Schwimmbad und nachmittags zum S-squash. F-früher hat ’n Eisbecher gereicht und ’n K-kinokarte. Die Tussies spinnen d-doch alle. Ich geh in ’n Wald und werde Eme-Ermeri … also ich werde Ein-Einsiedler.«
»Damit fängst du am besten gleich an!« Florian hievte den künftigen Eremiten hoch und lehnte ihn an den Stamm. »Clemens wird dich hinbringen, sonst findest du vor lauter Bäumen den Wald nicht. – Und du gehst ins Bett!«, herrschte er seinen Neffen an. »Du hast mehr als bloß einen in der Hacke.«
»K-kommt nicht in F-frage! Erst m-muss ich noch die blonde Sch-schnecke angraben!« Mühsam rappelte er sich hoch und stakste breitbeinig auf die Terrasse zu. Florian wetzte hinterher. »Heute nicht mehr, aber morgen kannst du gerne im Salatbeet graben!« Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass Benjamin wieder zusammengesackt war, legte Rüdigers Arm um seinen Hals und schleifte ihn durch die Garage ins Haus. Dort übergab er ihn Urban, der dank achtmonatiger Zugehörigkeit zur Bundeswehr einschlägige Erfahrung im Umgang mit Alkoholleichen hatte. Er diagnostizierte Trunkenheit zweiten Grades, hatte auch die entsprechende Therapie zur Hand und schickte seinen Onkel nach lauwarmem Salzwasser. Das klang sehr nach Rosskur, fand Florian. Nachdem er das Gewünschte gebracht und noch Handtücher sowie einen leeren Eimer zurechtgestellt hatte, machte er sich schnell auf die Suche nach Clemens.
Der war nirgends zu sehen, aber in seinem Zimmer brannten Licht. Hoffentlich liegt er nicht auch schon im Bett, wünschte Florian, während er die Treppe hinaufstieg. Gerade als er anklopfen wollte, hörte er Stimmen. Eine davon war weiblich. Florian besann sich auf seine gute Erziehung und machte auf dem Absatz kehrt. Er nahm sich aber vor, morgen mit seinem Neffen ein Wörtchen zu reden. Das hier war eine Teenagerparty, da hatten die Erwachsenen Vorbild zu sein! Plötzlich erschrak er. Wer sagte überhaupt, dass Clemens sich nicht eine von diesen minderjährigen Krabben angelacht und zwecks Besichtigung seines Computers abgeschleppt hatte? Briefmarkensammlungen als Vorwand ungestörter Zweisamkeit waren heutzutage wohl
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