Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
für die Lehrbücher, die ich angeblich für diesen blödsinnigen Buchhaltungskurs brauche. Und was hat er mir gegeben? Die Bücher!«
Florian lachte schallend. »Was hast du denn anderes erwartet!« Er kannte seinen Schwiegervater, und der wiederum kannte seinen Sohn.
Karsten hatte das Abitur erst beim zweiten Anlauf geschafft, war danach ein dreiviertel Jahr lang durch Europa getrampt, um sich über seine Zukunftspläne klar zu werden (»Wie soll ich wissen, was ich werden will? Vielleicht haben sie meinen Beruf noch gar nicht erfunden.«), und hatte schließlich das Studium der Volkswirtschaft begonnen. Nach zwei Semestern war er zu der Erkenntnis gekommen, dass ein Volkswirtschaftler jemand ist, der alle Lösungen für die Probleme des vergangenen Jahres weiß, mit seinen Zukunftsprognosen aber meistens schief liegt, und diese Basis schien Karsten wenig ausbaufähig. Außerdem hatte er inzwischen eine feste Freundin, die als Zahnarzthelferin schon Geld verdiente, während er nur welches kostete. Es machte ihm zwar nichts aus, sich quer durch die Verwandtschaft zu schnorren, aber jeden Kinobesuch von seiner Freundin bezahlen zu lassen, ging ihm doch sehr gegen den Strich. Bevor er jedoch zu einem Entschluss gekommen war, auf welche Weise er sich nun endgültig in das Heer der Arbeitnehmer einreihen sollte, ereilte ihn der Ruf des Vaterlandes und enthob ihn für die nächsten 15 Monate allen Überlegungen. Der Grenadier Karsten Pabst war sehr schnell bei seinen Kameraden beliebt, bei seinen Vorgesetzten weniger. In ihren Augen war er vorlaut, wenn nicht gar renitent, er durchforschte die Dienstvorschrift nach den Rechten, die einem Soldaten zustanden, wobei er die Pflichten großzügig überlas, und machte sie geltend. Man hielt es für das Beste, diesen aufmüpfigen jungen Mann weitgehend aus dem Verkehr zu ziehen, und beförderte ihn zum Sporthallenwart. Dort saß er abseits vom Schuss, sortierte Fußbälle und Badekappen und trug in die vorgesehenen Listen ein, wer wann wie viele Trillerpfeifen ausgeliehen hatte. Diese verantwortungsvolle Tätigkeit beanspruchte allerdings nur einen geringen Teil des Tages, und so benutzte er den Übrigen zu sinnvolleren Beschäftigungen. Er schlief oder las. Meistens schlief er.
Da die Sporthalle zum Zwecke der Freizeitgestaltung bis zwanzig Uhr geöffnet blieb, die reguläre Dienstzeit für Bundeswehrsoldaten jedoch schon um siebzehn Uhr endete, machte er quasi Überstunden, die bei der Bundeswehr nicht vorgesehen sind. Jedenfalls nicht regelmäßig. Er beschwerte sich, bekam Recht und von da an die doppelte Anzahl dienstfreier Tage. Diese Vergünstigung legte er so großzügig aus, dass er immer eine Woche lang Dienst schob und die folgende zu Hause blieb. Woraufhin ein zweiter Sporthallenwart nominiert wurde, mit dem sich Karsten, weil vom gleichen Kaliber, sofort bestens verstand. Je nach Bedarf tauschten sie ihre Dienststunden, verlängerten oder verkürzten sie, denn niemand kümmerte sich darum, solange die Vorschriften eingehalten wurden und die Turnhalle ordnungsgemäß unter Aufsicht stand.
Im Gegensatz zu den meisten Wehrpflichtigen, die das dienstfreie Wochenende überwiegend im Bett verbringen, wobei die Gründe verschiedener Natur sein können, war Karsten zu Hause immer ausgeschlafen und langweilte sich. Seine Freundin arbeitete tagsüber, seine Freunde taten das Gleiche oder gaben es zumindestens vor, indem sie morgens zur Uni gingen, und so begann er sich für das väterliche Geschäft zu interessieren. Nach seiner Ansicht war Uhrmacher zwar ein völlig unzeitgemäßer Beruf, aber er musste immerhin zugeben, dass ein Vater recht gutes Geld damit verdiente, zumal er kaum noch Uhren reparierte, sondern in erster Linie welche verkaufte. Vor einigen Jahren hatte er angefangen, sein Sortiment durch Modeschmuck zu erweitern, und nun beschäftigte er sogar schon einen richtigen Goldschmied und würde wohl bald einen zweiten brauchen.
Mehr aus Langeweile denn aus Interesse trieb sich Karsten häufig in der Werkstatt herum, formte aus Silberdraht und bunten Glassteinen fantasievolle Gebilde und bekam allmählich Spass an der Sache. Nachdem die Bundeswehr ihren Sporthallenwart im Rang eines Obergefreiten in allen Ehren entlassen hatte, begann Karsten eine Ausbildung als Goldschmied, die er zum großen Erstaunen seines Vaters auch beendete. Sogar mit Auszeichnung. Seine Prüfungsarbeit, eine asymmetrische Platinbrosche mit Diamantsplittern, wurde in der
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