Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
ganz verrückt nach Blumenkohl?«
»Nein«, gestand Tinchen kleinlaut, »sie mögen ihn auch nicht.«
»Weshalb hast du ihn denn überhaupt mitgebracht?«
»Weil er so billig war.«
»Das ist natürlich ein Argument!«, versicherte er ernsthaft, aber als er ihre betretene Miene sah, fing er wieder an zu lachen.
»Nun heul nicht gleich, du hast es doch nur gut gemeint.«
»Das muss ich aber erst mal Martha verklickern.«
»Ach was, die erfährt das gar nicht. Sie hängt im Garten Wäsche auf.« Aus einem Schubkasten nahm er zwei Plastiktüten, packte die Kohlköpfe hinein und stellte sie in eine Ecke. »Die nehme ich nachher mit in die Uni. Unsere Selbstverpfleger sind über jeden Euro froh, die sie sparen können. Aber bevor du deine nächste Einkaufstour startest, solltest du dich wohl mal bei Marthchen nach den Essgewohnheiten der Sippe erkundigen. Papiersuppen gehören nämlich auch zum Küchentabu.«
Eine neue Tüte wurde geholt, in der die beanstandeten Fertiggerichte, das Knödelpulver und das Sortiment bunter Plastikpuddings verschwanden. »Meine Kommilitoninnen werden dich in ihr Nachtgebet einschließen.«
»Aber du kannst doch nicht alles …«
»Sei froh, wenn der Kram verschwindet, bevor Marthchen aufkreuzt. Sie würde dir das nie verzeihen. Mit der Zumutung, Vorgekochtes zu verwerten, kratzt du ihre Ehre an. Nicht mal fertiges Hackfleisch kauft sie. Das dreht sie selber durch den Wolf, weil sie dann weiß, was drin ist.«
Ein weiteres Päckchen wurde wohltätigen Zwecken gespendet, aber dann räumte Tinchen die Lebensmittel außer Reichweite. Clemens schielte schon begehrlich nach den Kognakbohnen.
»Musst du heute nicht zur Uni?«
»Heute sind vormittags keine Vorlesungen.« Er schob das letzte Stück Käse in den Mund, griff zur Zeitung und lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück.
Tinchen öffnete die Tür zum Besenschrank, an deren Innenseite zwei Stundenpläne klebten sowie ein übersichtliches, mit verschiedenfarbigen Stiften ausgefülltes Verzeichnis von Clemens’ Studienfächern. »Pathologie übersetzt man wohl am besten mit ›pathologische Faulheit‹ und Physiologie ist wahrscheinlich der lateinische Name für Lustlosigkeit. Mach, dass du rauskommst!«
Widerspruchslos räumte Clemens das Feld. Vorher riss er den verräterischen Zettel von der Tür, knüllte ihn zusammen und steckte ihn in die Hosentasche. »Der ist längst überholt. Stammt noch aus dem vorigen Semester.«
»Bist du zum Mittagessen da?«
Er warf einen beziehungsreichen Blick auf die Milchreispackungen.
»Aus dem Babyalter bin ich raus, und Bratwurst kriege ich auch in der Uni. Mens sana in corpore sano. Auf Deutsch: Wer in der Mensa isst, braucht einen gesunden Körper. Tschüss bis heute Abend.« Weg war er. Wenig später setzte sich keuchend und stotternd der nicht mehr ganz jugendliche Käfer in Bewegung, von Clemens erst kürzlich aus sechster Hand erworben. Er hatte ihn Samson getauft mit der Begründung, die vielen Ersatzteile hätten die ursprünglichen Kräfte des Autos auf ein Mindestmaß reduziert.
Während Clemens gemütlich nach Heidelberg tuckerte, um den Rest des Vormittags in Gesellschaft Gleichgesinnter im Scharfen Eck zu verbringen, der Stammkneipe aller Medizinstudenten, kämpfte Tinchen um ihr Selbstbewusstsein. Nach kurzer Prüfung der eingekauften Lebensmittel hatte Martha das meiste davon als überflüssig und kaum zu gebrauchen aussortiert, das angeforderte Gulasch reklamiert, auf die fehlenden Brötchen hingewiesen und rundheraus erklärt, sie habe erwartet, dass die Frau Bender lesen könne, oder ob sie künftig den Einkaufszettel zeichnen müsse. Worauf Tinchen mit dem letzten Rest von Selbstbeherrschung die Küche verlassen und sich im Schlafzimmer verkrochen hatte. Auf dem Weg dahin waren ihr dann alle schlagfertigen Antworten eingefallen, mit denen sie Marthas Monolog hätte unterbrechen und die ganze Sache ins Lächerliche ziehen können.
Na schön, sie hatte weniger auf die Liste geguckt und mehr in die Regale, hatte das Falsche gekauft und das Richtige vergessen, aber davon ging schließlich die Welt nicht unter, und verhungern würden sie auch nicht. Die Kühltruhe war randvoll, und notfalls würde sie eben für den ganzen Verein Spaghetti Bolognese kochen. Das konnte sie wirklich gut, sogar Mutti hatte das wiederholt bestätigt. Hackfleisch hatte sie ja glücklicherweise mitgebracht. Spaghetti gab es erfahrungsgemäß in jedem kinderreichen Haushalt … Aber dann fiel
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