Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
Vergünstigungen und erreichte tatsächlich, dass Frau Schliers ihre Kündigung zurückzog.
»So viel habe ich schon lange nicht mehr gequasselt, aber es hat wenigstens etwas genützt«, verkündete er beim Abendessen der versammelten Familie. »Und wenn ihr euch nicht zusammennehmt« – ein drohender Blick streifte den Nachwuchs –, »dann werdet ihr mich von einer weniger toleranten Seite kennen lernen! Regenwürmer gehören in den Garten, und der Hund hat auf den Möbeln nichts zu suchen. Zu Hause hat er das ja auch nie gemacht.«
»Eben, es wird schwer sein, ihm das wieder abzugewöhnen«, sinnierte Tinchen, »wir haben ihn erst regelrecht darauf dressieren müssen.«
»Was habt ihr???«
»Ja, weißt du, Florian, die Sache ist nämlich die …«, begann Clemens, unterbrach sich aber sofort und empfahl seinem Onkel, ihm lieber ins Wohnzimmer zu folgen, wo in erreichbarer Nähe die Kognakflasche stand, denn die würde er wahrscheinlich brauchen. Ob es nun an Clemens’ Schilderung der charakterlichen Mängel von Frau Hahneblank lag oder an dem Courvoisier, ließ sich später nicht mehr genau feststellen, aber Florian zeigte plötzlich volles Verständnis für seine Lieben. Er werde sogar morgen höchstpersönlich noch einmal mit Frau Schliers reden, auf das gestörte Vertrauensverhältnis hinweisen, auf die nervliche Belastung, die der ungewohnte Familienzuwachs bedeute, und dass es wohl doch besser sei, wenn die so tüchtige Haushälterin einen wohlverdienten längeren Urlaub antrete. In der Zwischenzeit werde man sich schon irgendwie zu behelfen wissen.
»Aber wie?«, grübelte er laut. »Schließlich kann ich nicht dauernd Kindermädchen spielen, während Tinchen Serviettenringe poliert. Ich bin durchaus für Gleichberechtigung, und es macht mir gar nichts aus, Julia zum siebenundzwanzigsten Mal Rotkäppchen vorzulesen, aber irgendwann muss ich auch mal anfangen zu arbeiten.«
»Was denn?«, erkundigte sich Rüdiger. »Ich denke, du bist hier bloß Obermotz und machst ansonsten Ferien.«
»Ich werde ein Buch schreiben.«
Diese feierliche Eröffnung wurde zu Florians Enttäuschung keineswegs mit dem erwarteten Respekt aufgenommen, sie löste nur allgemeine Heiterkeit aus.
»Mein Gott, noch einer, der sich zum Schriftsteller berufen fühlt«, stöhnte Melanie. »Was soll es denn werden? Was Autobiografisches?«
»Schäme dich nicht deiner Vergangenheit – schreib einen Bestseller darüber!«, ergänzte Rüdiger, während Clemens warnte: »Lass das lieber bleiben! Schriftsteller sind die einzigen Menschen, die einem auch noch lange nach ihrem Tod auf die Nerven gehen können.«
Florian fühlte sich in die Defensive gedrängt. »Jeder Journalist hat einen Roman im Kopf!«
»Da ist er auch am besten aufgehoben.« Kameradschaftlich schlug ihm Rüdiger auf die Schulter.
Der künftige Autor schwieg beleidigt. Er hatte ohnehin nicht vorgehabt, sich über den Inhalt seines Werkes zu äußern, das hätte seine potenziellen Studienobjekte nur abgeschreckt, aber wenigstens ein bisschen Hochachtung hatte er erwartet. Wer hat schon einen angehenden Schriftsteller in der Familie?
»Ich will mich ja nicht einmischen, und eigentlich geht es mich auch gar nichts an, aber ich glaube, ich weiß wen, der in dieses Haus hier reinpassen täte.«
Mehr ließ sich Martha nicht entlocken. Sie müsse erst mit Oma Gant reden, behauptete sie, und es sei ja auch noch gar nicht sicher, ob die Frau überhaupt wolle.
In das allgemeine Aufatmen hinein piepste Julias Stimme: »Muss ich nu nich mehr im Flur mit den Legosteinen spielen?«
Pfefferminzlikör wirkt Wunder
O ma Gant war vierundsechzig Jahre alt, einen Meter zweiundsechzig groß und wog vierundachtzig Kilo, weshalb Rüdiger sie insgeheim Kubikmeter getauft hatte, denn Länge mal Breite mal Höhe ergibt bekanntlich … so weit reichten seine mathematischen Kenntnisse.
Oma Gant – sie hörte auf den Namen Creszentia – sah genauso aus, wie Omas normalerweise auszusehen haben. Die grauen Haaren waren glatt zurückgekämmt und im Nacken zu einem kümmerlichen Knoten zusammengedreht, der kaum das Gewicht der vielen Haarnadeln tragen konnte. Ihr rundes Gesicht mit den rosa Bäckchen und den seltsam blauen Augen strahlte Güte aus, die gut gepolsterten Arme luden förmlich zum Hineinkuscheln ein, aber wenn man nicht aufpasste, kratzte man sich an den ekligen Perlmuttknöpfen, mit denen sie ihre selbst geschneiderten Kleider zu verzieren pflegte. Deshalb saß Julia
Weitere Kostenlose Bücher