Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
hatte: »Das kann ich ja gar nicht.«
Oma Gant wurde also mit Kaffee und Streuselkuchen versorgt, bekam ein Gläschen Pfefferminzlikör, genoss zwar die ungewohnte Aufmerksamkeit, machte sich aber insgeheim Sorgen, welchem Umstand sie diese Fürsorge zu verdanken hatte. Vielleicht hätte sie doch lieber zu ihrer Schwägerin fahren sollen.
Es war Martha, die endlich zum Kern der Sache kam. »Sie haben mir doch erst neulich von Ihrer Nachbarin erzählt, die mit den Kindern ohne Mann. Wohnt die noch bei Ihnen im Haus?«
»Diese Schlampe? Eine Schande ist die für die ganze Gegend mit ihre ewige Kavaliere, wo sie immer mitbringt. Die Kinder hat se ja nu weggegeben in Pflege, ging ja wohl nich mehr anders, wo doch schon eine vom Jugendamt da gewesen …«
»Aber Sie hatten mir die Frau doch ganz anders beschrieben.« Martha spendierte einen zweiten Pfefferminzlikör; vielleicht würde er die plötzlich negativen Eigenschaften der bewussten Nachbarin wieder in etwas positivere verwandeln. Vor ein paar Tagen noch sollte sie hilfsbereit und tüchtig gewesen sein, immer liebenswürdig, die Kinder gut erzogen – so schnell kann sich doch kein Mensch ändern. Allenfalls die Meinung über ihn.
»Man hört so viel, und höchstens die Hälfte davon stimmt«, sagte Tinchen, »wenn man bloß wüsste, welche.«
»Nee, Frau Bender, das is nu nich richtich. Über die reden sie alle, aber keiner nich was Gutes.« Offensichtlich hatte der Likör seine Wirkung verfehlt. »Erst vorgestern hat sie ihren ganzen Müll …«
»Also Fehlanzeige!« Vorsichtshalber zog Florian die Flasche aus Oma Gants Reichweite, denn er befürchtete mit Recht, bei weiterem Alkoholgenuss genauestes über das Liebes- und sonstige Leben dieser ihm unbekannten Dame informiert zu werden. »Dann werden wir eben eine Anzeige im Blättchen aufgeben!«
Das wöchentlich erscheinende Mitteilungsblatt der Gemeindeverwaltung, das politisch uninteressierten Lesern auch die Tageszeit ersetzte und so bedeutungsvolle Nachrichten vermittelte wie die bevorstehende Rinderzählung oder die von einem unbekannten Täter verursachte Beschädigung eines Halteverbotszeichens, verfügte auch über eine Rubrik »Kleinanzeigen«. Weshalb die so hieß, blieb Florian ein Rätsel, denn die Danksagungen für die letzte Ehre, die einem lieben Verstorbenen bei seinem Heimgang erwiesen worden war, nahmen manchmal eine halbe Spalte ein. Da wurde dem Arzt gedankt und der Gemeindeschwester, dem Bläserchor und dem Kleintierzüchterverband, dessen Vorsitzender so bewegende Worte gefunden hatte, dem Herrn Pfarrer natürlich und dem Altenklub für den schönen Kranz, und zum Schluss auch noch dem Pächter des Bürgerstüble, der die Trauergäste so stilvoll bewirtet hatte.
Etwas kleiner gerieten die Geburtsanzeigen mit eigenhändig gemalter Wiege und genauen Daten über Größe und Gewicht des neuen Erdenbürgers. Der entflohene Wellensittich – »hört auf den Namen Putzilein« – nahm nur zwei Zeilen in Anspruch, die zum Verkauf stehende Spielzeugeisenbahn brauchte sieben, weil sie so viele Zubehörteile hatte.
Ganz am Ende standen die Stellenangebote. Da wurde ein Getränkeausfahrer mit Melkererfahrung gesucht und eine kinderliebe Oma, die drei reizende Bübchen von fünf bis neun Jahren stundenweise beaufsichtigte, ein Sargtischler und eine Kosmetikberaterin (für Hausfrauen besonders geeignet), eine Ostereierfärberin und eine Fachverkäuferin für Sanitärbedarf.
Dieses Gemeindeblatt war Florians Lieblingslektüre. Er malte sich dann immer aus, wie beispielsweise Frau Hahneblank der Frau vom Metzger Müller die Vorzüge eines Beautyfluid demonstrieren oder die gesuchte Fachverkäuferin einem Kunden den Unterschied zwischen meergrünen und balibraunen Klosettschüsseln zu erklären versuchen würde – natürlich ohne Demonstration.
Über dieses Blättchen also, das in jedem Haushalt von Steinhausen auf dem Tisch lag, hoffte Florian die dringend benötigte Putzhilfe zu finden. »Wir müssen die Anzeige nur ein bisschen originell abfassen.«
»Was für ’ne Anzeige?«
Die Schnellste ist sie wirklich nicht mehr, dachte Florian ergeben, und setzte Oma Gant noch einmal geduldig auseinander, dass Frau Schliers gekündigt habe und man eine Nachfolgerin brauche.
»Da weiß ich aber wen Besseres. Die Frau Künzel bei nebenan.«
»Richtig! Künzel hat sie geheißen«, sagte Martha erleichtert, »mir ist vorhin bloß der Name nicht mehr eingefallen.«
»Aber die is ja auch nich
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