Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
so. Der größte Teil davon verschwand in der Kasse des Supermarkts, wobei es doch völlig gleichgültig blieb, wie viel nun für Rinderbraten und wie viel für Suppengrün draufgegangen war. Also erfand sie die Rubrik »Sonstiges«, in die sie ohne nähere Bezeichnungen alles eintrug, was nicht essbar war: die Hosenbügel für Clemens, das Schlüsseletui für Rüdiger und das Buntpapier für den Kindergarten – aber sie ahnte, dass Martha diese Sonderposten nicht lange widerspruchslos hinnehmen würde. Bei ihr musste alles seine Ordnung haben. Schuhsohlen wurden unter »Garderobe« verbucht und der neue Bezug für das Bügelbrett unter »Wäsche«. Die Ostereier hatte sie nach längerem Zögern der Spalte »Geschenke« zugeordnet und in Klammern Ostern dazugeschrieben, denn im April hatte niemand der Familie Geburtstag. Vielleicht ließ sich der Schal noch dazumogeln.
Ein Glück, dass Florian gestern noch das Bilderbuch für Tante Klärchen aufgetrieben hatte. »Stuttgarter Leben« hieß es und zeigte auf 48 Seiten Hochglanzfotos der schwäbischen Metropole. Nein, von Tübingen habe man nichts dergleichen, hatte die Verkäuferin in der Buchhandlung bedauert, aber man könne etwas Passendes bestellen, gleich nach den Feiertagen sei es lieferbar. Zu spät? Tja, dann wisse sie auch nicht weiter. Ob es vielleicht Heidelberg sein dürfe, da habe man eine große Auswahl. Florian hatte sich für Stuttgart entschieden, das lag näher an Tübingen dran und musste bei seiner Tante sogar gewisse Sentiments wecken, denn immerhin hatte sie in der Landeshauptstadt ihren Donald selig kennen gelernt.
Die Ostereiersuche verlief geräuschvoll und dauerte genau eine Stunde und 17 Minuten. Während der Endphase erschien auch Tante Klärchen auf der Bildfläche, heute in Zitronengelb mit passender Perücke, verzichtete dankend auf Croissants und Waffeln, bat um nur eine Tasse Kaffee, trank drei, wollte ein Schlückchen Mineralwasser, bekam es, verschwand mit dem vollen Glas nach nebenan und kehrte mit dem leeren zurück. »Meine Tabletten, ihr wisst schon …«
Sie wussten es nicht, es kam ihnen nur sonderbar vor, dass Tante Klärchen ihre Pillen heimlich schluckte. Die klaute doch bestimmt keiner.
Nach mehreren Irrläufen hatte Clemens endlich das für ihn bestimmte Päckchen aus dem sonst leeren Papierkorb gefischt. Er packte es aus und stutzte. »Ich hab’ doch schon zwei Wecker.«
»Die sind wohl nicht laut genug, oder weshalb muss ich dich fast jeden Tag eigenhändig aus dem Bett schmeißen?«
»Weil du der einzige Wecker bist, Tinchen, den man nicht abstellen kann!« Dann verschwand er kurz und kehrte mit einer Pergamentpapierrolle zurück, die drei Mal versiegelt und mit einer großen Schleife zugebunden war. »Der materielle Wert ist gering, aber der ideelle ist gar nicht mit Geld zu bezahlen!« Feierlich überreichte er Tinchen die Röhre.
Sie zögerte. Die teils erwartungsvollen, teils grienenden Gesichter ließen nichts Gutes ahnen. Schließlich fasste sie sich ein Herz und entrollte das Schriftstück. Sofort kringelte es sich wieder zusammen.
»Gib mal her!« Urban legte das Papier auf den Boden, rollte es auseinander, stellte seinen Stuhl auf den oberen Rand und seinen Fuß auf den unteren. »Jetzt kannste lesen!«
WIR VERPFLICHTEN UNS stand oben drüber, mit mehr Enthusiasmus als Talent in gotischen Buchstaben hingemalt, und dann waren in alphabetischer Reihenfolge all jene Punkte aufgezählt, die in den vergangenen Wochen zu dauernden Streitobjekten geworden waren. Die Liste begann mit A: Aufräumen (Dachboden, Keller, Garage), B: Bücher nicht immer auf dem Klo liegen lassen, bis hin zu Y: Yankee-Gedudel auf Zimmerlautstärke beschränken und Z: Zimmer (eigene) einmal wöchentlich durchharken.
»Das nageln wir oben auf den Gang, wo jeder dran vorbeiläuft, und du bist autorisiert, Sünder an den Pranger zu stellen.« Aus der Hosentasche holte Clemens eine Hand voll Buchstaben, hinten mit einer Nadel versehen und eigentlich als Modeschmuck gedacht. »Du piekst einfach den jeweiligen Namen an die richtige Stelle. Nach zehn Verwarnungen wird der Familienrat über das Strafmaß entscheiden.«
»Dazu wird es gar nicht kommen«, sagte Melanie. »Tinchen hat uns doch schon ganz schön hingetrimmt. Gestern habe ich mich dabei ertappt, wie ich meine Klamotten in den Schrank geräumt habe. Sogar auf Bügel habe ich sie gehängt.«
»Davon sieht man aber nichts. Ich wollte dich vorhin schon fragen, warum du noch
Weitere Kostenlose Bücher