Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
sogar eine Kleinigkeit zu sich nehmen, eine Mockturtlesuppe, die sei nicht so fett, oder etwas Salat … man werde sehen.
Sie erschien mit einer halben Stunde Verspätung, obenherum Hirtenhundlook, darunter Frühlingsrauschen. Veilchenfarbenes Kostüm mit passenden Pumps, darüber eine Zotteljacke, die Melanie befürchten ließ, Tante Klärchen könnte sich an ihrem Bettvorleger vergriffen haben.
»Was ich noch sagen wollte …«, wandte sie sich an die ungeduldig wartende Familie, »in der Öffentlichkeit bin ich für euch nicht Klärchen und erst recht nicht Tante, sondern schlicht und einfach Claire.«
Man nahm diese Anordnung kommentarlos zur Kenntnis, verteilte sich auf drei Autos, und dann setzte sich die Kolonne in Bewegung. Florian übernahm die Führung, bis ihm einfiel, dass man noch immer zu keiner Einigung über das Ziel dieses Fresskonvois gekommen war. Also trat er auf die Bremse. Tinchen knallte prompt auf die Stoßstange, während Urban, der seine Ente noch rechtzeitig zum Halten gebracht hatte, den Kopf aus der Dachluke hängte und harmlos fragte: »Habt ihr euch die Führerscheine von Neckermann schicken lassen?«
Die Reihenfolge wurde gewechselt. Mit der Behauptung, er kenne Heidelberg wie seine Hosentasche und wisse genau, wo man sowohl etwas zu essen als auch einen Parkplatz bekäme, setzte sich Urban an die Spitze. Das erste von ihm angepeilte Restaurant hatte wegen Renovierung geschlossen. Das zweite war überfüllt. Vor dem dritten gab es weit und breit keinen Zentimeter Platz, auf dem man auch nur ein Fahrrad hätte abstellen können, geschweige denn drei ausgewachsene Autos. Das vierte Lokal der oberen Mittelklasse, denn auf einem solchen hatte Florian bestanden, lag in der Fußgängerzone und kam wegen Tante Klärchens engen Schuhen und Marthas Rheuma nicht in Frage.
Erneuter Kriegsrat. Inzwischen war es halb zwei, alle hatten Hunger, Julia quengelte. Martha brummte etwas von »zu Hause den schönsten Braten im Topf« und Tobias maulte, warum sie denn nicht zu McDonald’s gingen, da sei immer Platz und man bekäme auch ganz schnell was zu essen.
»Logisch«, sagte sein Vater. »Woanders muss man stundenlang aufs Essen warten, und da wartet das Essen stundenlang auf uns. Kommt nicht in Frage, heute ist Ostern, da möchte ich in einer gemütlicheren Umgebung sitzen als ausgerechnet in einem Schnellimbiss. Wen man da in einen Hamburger beißt, weiß man nie, wo das Brötchen aufhört und der Pappteller anfängt.«
Clemens hatte einen neuen Vorschlag. »Wie wär’s denn, wenn wir zur Alten Mühle fahren? Dauert höchstens zwanzig Minuten, und einen Tisch kriegen wir da bestimmt.«
»Was zu essen wäre mir lieber«, knurrte Rüdiger.
Der Tross setzte sich wieder in Bewegung. Da die Landstraße zur Alten Mühle wegen Bauarbeiten gesperrt war und Clemens’ »sowieso viel kürzerer Richtweg« vor einem Rübenacker endete, der noch vor ein paar Monaten »garantiert nicht da gewesen« war, dauerte es fast eine Stunde, bis der ausgehungerte Trupp an einer Kreuzung endlich die ersten Anzeichen der erhofften Tafelfreuden erblickte: Ein Koch aus Pappe, von vermutlich ebenso ausgehungerten Gästen schon leicht angeknabbert, versprach vorzügliche Küche und selbst gekelterten Wein. Zumindest Letzteres erschien Florian in Anbetracht der umliegenden Spargelfelder zweifelhaft, aber er wollte ja in erster Linie etwas essen und dazu ein schönes kühles Bier trinken.
Der Wirt bedauerte. Die Küche sei bereits geschlossen, immerhin gehe es auf drei Uhr zu, man rechne in Kürze mit den ersten Kaffeegästen, aber einen Wurstsalat oder auch ein Schinkenbrot, serviert auf rustikalem Holzteller, könne er selbstverständlich bieten. Auch Kartoffelsalat sei noch da, dazu Bockwurst oder Wienerle, ganz nach Wunsch.
Wortlos machte Florian kehrt. In der Tür stieß er mit Tante Klärchen zusammen, die erst noch ihr Make-up überprüft und den Sitz der Perücke korrigiert hatte, bevor sie, flankiert von Urban und Rüdiger, ihren Auftritt haben würde. Die Zumutung, wiederum in den Wagen zu steigen und sich mit unbestimmtem Ziel durch die hessische Landschaft fahren zu lassen, war entschieden zu viel.
»Einer von euch wird mich unverzüglich nach Hause bringen! Erst werde ich bedrängt, mit diesem Ausflug anzuschließen, und dann bringt man mich von einem obskuren Lokal zum anderen. Ich glaube, mein lieber Florian, du und dein Bruder leben in vollkommen verschiedenen Sphären. Als ich das letzte Mal Gast
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