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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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fortschleppte, badete und dick in Tücher einwickelte, bevor sie sie mir an die Brust legte, empfand ich als enttäuschend.
Ich
war doch die Mutter, warum bekam dann nicht auch ich als Erste das Kind?
    »Aber doch nicht mit all dem Blut und der Käseschmiere!«, beantwortete Christel entrüstet meine diesbezügliche Frage, und allein ihre Wortwahl, die sie als größere Expertin auf dem Gebiet auswies als mich, machte mich sprachlos. Was auch immer
Käseschmiere
war, ebendiese ließ es mir ratsam erscheinen, nicht weiter nachzufragen.
    Der Moment, in dem die Kleine an meiner Brust lag – daran allerdings noch nicht saugte, denn bestimmt war sie noch erschöpfter als ich – und Hannes mir einen Kuss gab, der verdächtig nach Schnaps roch, gehört zu den schönsten, an die ich mich erinnere. Es war ein wunderbares Zusammenspiel von Mutterglück, Liebe und dem Gefühl, etwas wahrhaft Großes geleistet zu haben. Lange genoss ich es nicht: Ich schlief sehr bald nach der Geburt ein und wachte erst zehn Stunden später wieder auf, und zwar vor Hunger und Durst. Und von durchdringendem Säuglingsgeschrei.
    Ich hatte immer geglaubt, nach einem solchen Kraftakt fühle man sich geschwächt und irgendwie krank. Dem war nicht so. Mein Unterleib war wund, aber darüber hinaus fehlte mir nichts. Das kleinste bisschen Fieber beeinträchtigte einen mehr. Ich war bei klarem Verstand und hatte einen gesunden Appetit. Ich fühlte mich durchaus in der Lage, aufzustehen und ein Frühstück zuzubereiten, was ich auch tat.
    Am Küchentisch saß Christel und schlief, den Kopf auf die Unterarme gebettet. Ein Speichelfaden lief ihr aus dem Mund. Von Hannes war weit und breit keine Spur. Vielleicht war er schon auf dem Feld. Was hätte er auch im Haus groß ausrichten können? Kinderkriegen war nun einmal Frauensache, und da für ihn ja nicht einmal im Bett Platz gewesen war, denn das Kind hatte die ganze Nacht bei mir gelegen, hatte er wahrscheinlich das einzig Sinnvolle getan und war wieder an die Arbeit gegangen. Es versetzte mir einen klitzekleinen Stich, dass ihm unsere Tochter nicht einen freien Tag wert war, aber ich verstand es auch.
    Ich briet mir drei Eier, bereitete mir eine heiße Milch mit sehr viel Zucker zu und ging zurück zum Bett. Jetzt, da ich wieder ich selbst war, betrachtete ich die Kleine mit anderen Augen. Sie war ziemlich hässlich. Sie war fast ganz kahl, nur drei feine hellbraune Härchen auf ihrer Stirn ragten in die Luft. Ihr Gesichtchen war rot und verknautscht. In den Hautfalten, das heißt in der Armbeuge, den Kniekehlen oder am Hals, hatte sie rötlichen Schorf. Ich wurde von Gewissensbissen übermannt: Irgendetwas – abgesehen davon, dass sie ein Mädchen war – hatte ich bestimmt falsch gemacht. Gleichzeitig durchflutete mich eine heiße Liebe zu diesem kleinen, hilflosen Bündel. Die winzigen Finger, die weichen Füßchen, das niedliche Mündchen waren das Entzückendste, was ich in meinem ganzen Leben gesehen hatte. Ich nahm sie hoch, genoss ihren Duft und ihre zarte Haut und küsste ihre Fußsohlen. Ich setzte mich auf den Bettrand und legte eine Brust frei.
    »Gib sie mir, du musst dich ausruhen«, hörte ich auf einmal Christel sagen. Sie war, von mir unbemerkt, aufgewacht und ans Bett herangetreten.
    »Aber nein, mir geht es blendend.
Du
musst dich ausruhen – nach dieser langen Nacht. Lass uns Hannes suchen, damit er dich heimbegleiten kann.«
    Christel betrachtete mich und das Kind skeptisch, zuckte aber dann die Achseln. »Du hast recht. Ich bin todmüde. Und ihr wollt bestimmt gerne für euch sein.«
    Sie klang ein wenig traurig, und mich überkam augenblicklich eine Mischung aus Mitleid und schlechtem Gewissen. Da hatte sie sich die ganze Nacht um die Ohren geschlagen, um mir zu helfen, und nun konnte ich sie gar nicht schnell genug loswerden. Ich war ihr über die Maßen dankbar für alles, was sie getan hatte – aber ich wollte auch endlich einmal allein und unbeobachtet mit meinem Kind sein. Christel hatte es, leider, klar erkannt. Dennoch verneinte ich vehement.
    »Aber wo denkst du hin? Und was heißt überhaupt ›für euch sein‹? Du bist doch fast schon ein Teil der Familie. Nein, nein, Christel, wenn es nach mir ginge, könntest du für immer hierbleiben. Ohne dich hätte ich das nicht geschafft, und bestimmt wird es mit einem Säugling auch ganz schön hart werden, wenn man so auf sich gestellt ist. Ich finde nur, dass du jetzt heimgehen und schlafen solltest – und dann

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