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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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kannst du mit neuer Energie zurückkommen und uns gerne jederzeit bekochen.« Ich lachte, und es hörte sich sogar für mich künstlich an.
    Christel nickte. »Natürlich. Ich gehe dann jetzt mal.« Sie klang müde und kraftlos.
    Wir verabschiedeten uns herzlich, und ich versicherte ihr unzählige Male, wie dankbar ich ihr war, wie willkommen ihre Hilfe auch in Zukunft sei und dass es gar nicht ohne ihre Unterstützung ginge. Dann suchten wir Hannes.
    Als die beiden fort waren, atmete ich auf. Hannes würde so bald nicht zurückkehren, denn er würde bestimmt noch die anderen Nachbarn besuchen und die frohe Botschaft verkünden. Ich würde mich in den nächsten Stunden ganz dem Kind widmen können, ohne dass es mir zum Baden oder Wickeln oder Herumtragen andauernd weggenommen wurde.
    Andächtig betrachtete ich das kleine Bündel. Ich nahm sie hoch, und sie blinzelte mir aus ihren blauen Äuglein zu. Vor lauter Rührung war ich den Tränen nahe. Dann legte ich sie an die Brust, und diesmal trank meine Tochter gierig. Es war ein gutes Gefühl, vor allem deshalb, weil meine Brüste vor lauter eingeschossener Milch gespannt hatten. Während sie saugte, überlegte ich mir, wie wir das Kind nennen sollten. Sonderbar, Hannes und ich hatten nur über Jungennamen nachgedacht, nie über Mädchennamen. Wahrscheinlich war es Hannes bei einem Mädchen ohnehin egal, wie es hieß. Das freute mich. So würde es keinerlei Disput darüber geben, ich würde allein entscheiden dürfen. Und für mich stand fest, dass die Kleine nach meiner Schwester benannt werden sollte: Hildegard.
    Hilde. Ja, das war hübsch.
    »Hilde«, wisperte ich ihr ins Ohr, und fast schien es so, als lächelte sie.

[home]
31
    A n ihrem dritten Tag im Dschungel wurden Raúl und Klara erlöst. Ein großes Boot fuhr flussabwärts und nahm sie auf. Ja, ein Stück weiter oben läge noch immer ein Baumstamm im Wasser, und nein, an eine Räumung sei zur Zeit nicht zu denken, denn der ungewöhnlich hohe Wasserstand sowie die starke Strömung machten ein solches Unternehmen zu einer lebensgefährlichen Sache. Besser sei es, man wartete, bis der Wasserpegel sank, spätestens im Mai sei der Weg wieder frei.
    Der Steuermann wusste weiterhin zu berichten, dass sein betrügerischer Kollege, der Raúl und Klara in der Wildnis ausgesetzt hatte, vor zwei Tagen gekentert und dabei zu Tode gekommen war. »Geschieht ihm ganz recht«, sagte Raúl, und der Steuermann stimmte ihm zu. »Er ist schon des Öfteren unangenehm aufgefallen. Der war eine Schande für unseren ganzen Berufsstand, der alte Saufkopf.«
    Glück im Unglück, dachte Klara. Wenn sie mit dem Trunkenbold an Bord gewesen wären, lägen sie jetzt auf dem Grund des Flusses. Da war es doch weitaus erfreulicher gewesen, sich mit Raúl durch den Urwald zu schlagen, obwohl das weiß Gott nicht schön gewesen war. Mehr als alle Insektenbisse, mehr als der Schmutz, das ständige Jucken, die Furcht und die körperliche Anstrengung hatte sie die Stille bedrückt. Anstatt einander besser kennenzulernen und freundschaftlich miteinander zu reden, hatten sie und Raúl sich fortwährend angeschwiegen. Nur das Nötigste war gesagt worden. Woher ihre eigene Befangenheit rührte, wusste sie: Sie war drauf und dran, sich in Raúl zu verlieben. Das jedoch erschien ihr in ihrer derzeitigen Lage mehr als unangemessen, und weil es andere ebenso empfinden mochten – sie war eine junge Mutter und hatte gerade erst ihren Mann verloren –, würde sie sich unter gar keinen Umständen auf etwas einlassen, das ja doch zu nichts Gutem führen konnte.
    Raúl, das spürte sie deutlich, empfand ebenfalls mehr für sie. Er hatte sie manchmal, wenn er glaubte, sie bemerke es nicht, mit Blicken gemustert, in denen sie Zärtlichkeit zu erkennen glaubte. Doch auch er war offenbar nicht willens, sich tiefere Gefühle ihr gegenüber zu gestatten. Er hatte sich während der zwei Tage im Wald überaus ritterlich und zuvorkommend verhalten.
    Manchmal hatte sie sich gewünscht, er möge weniger korrekt sein, nur um sich kurz darauf ihrer Gelüste zu schämen. Was war sie nur für eine verdorbene Seele, so kurz nach Hannes’ Tod schon wieder sinnliche Empfindungen für einen anderen Mann zu hegen?
    Was wohl in Raúl vorgehen mochte? Jeder andere hätte die Situation doch wohl zu seinem Vorteil ausgenutzt. Warum nicht er? Ach, was für eine dumme Frage: Natürlich konnte und wollte er nichts von einer Frau wissen, die ein Kind hatte und die noch dazu unter

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