Das Mädchen am Rio Paraíso
haben – was Klara allerdings nicht so sehr bedauerte.
»Was war mit Josefina?«, fragte sie. Diesen Teil seiner Erzählung hatte sie nicht ganz begriffen.
»Ach, gar nichts. Als wir fort waren, im Urwald, hat sie sich an Paulo Inácio herangemacht. Und zwar ziemlich schamlos, wenn man Teresa glauben darf, die die beiden zufällig in der Stadt gesehen hat.«
Klara schwankte zwischen Mitgefühl für Raúl einerseits und Erleichterung andererseits. Es tat ihr zwar leid, dass die Dame in Raúls Abwesenheit anscheinend gleich einen anderen Mann bezirzt und damit ihre Flatterhaftigkeit unter Beweis gestellt hatte. Zugleich war sie aber auch froh darüber. Ein wenig eifersüchtig war sie schon gewesen, auch wenn sie wusste, dass sie selber sich keinerlei Hoffnungen auf Raúl zu machen brauchte.
Oder vielleicht doch? Er sah sie auf einmal so sonderbar an. Sie erwiderte diesen Blick, in dem sie Melancholie und Begierde gleichermaßen zu erkennen glaubte. Sie konnte seinen Zwiespalt nachvollziehen, ihr ging es ja kaum anders: Die Faszination, die sie aufeinander ausübten, war so stark, dass sie sich ihr kaum entziehen konnten, doch das Wissen darum, dass sie beide keine gemeinsame Zukunft hätten, verlieh der sich anbahnenden Romanze etwas Trauriges. Diese Wehmut trug nun aber ihrerseits zu einer erhöhten Empfindsamkeit bei, steigerte ihre Gefühlswahrnehmungen, versetzte ihre Herzen in Aufruhr – als sei ein Quentchen Tragik das i-Tüpfelchen der Verliebtheit.
Ach was, ermahnte Klara sich, vergiss es einfach. Es würde wohl nur jener Zustand sein, von dem schon ihre Großmutter gewusst hatte: Was man nicht haben konnte, erschien einem umso begehrenswerter. Hatte man es erst, verlor es jegliche Anziehungskraft. Und daraus konnte Klara nur einen Schluss ziehen: Sie sollte Raúl nicht begehren. Sie senkte den Blick.
Gerade als sie ein Stück von ihm abrücken wollte, umfasste er mit einer Hand ihr Kinn und drehte ihr Gesicht wieder dem seinen zu. Sie waren kaum zwei Handbreit voneinander entfernt. Klaras Herzschlag beschleunigte sich. Ihre Blicke versanken ineinander, bevor eine Bö Klara eine Haarsträhne in die Stirn und über die Augen wehte. Raúl strich sie ihr behutsam aus dem Gesicht und beugte sich näher zu ihr heran. Klara schloss die Augen.
Ihre Lippen trafen sich, zu einer zarten Berührung zunächst, zu einem Hauch von Kuss, bei dem sie ihre Münder immer wieder ein wenig voneinander lösten, um dann umso inniger zusammenzufinden. Raúls Hände legten sich um Klaras Taille. Er zog sie fester zu sich heran, erhöhte gleichzeitig den Druck auf ihre Lippen, in die er schließlich mit seiner Zungenspitze eindrang. Klara gab sich seinem Kuss bereitwillig hin, erwiderte seine Liebkosungen mit ihren Lippen und ihrer Zunge. Sie konnte sich an keinen Kuss erinnern, der sie jemals so erregt, der in ihr je einen solchen Schwindel ausgelöst hätte. Er berauschte sie. Und er ließ sie nach mehr verlangen.
Raúls Hand wanderte von ihrer Taille hoch, fuhr über ihre Rippen, bis er schließlich eine Brust umfasste und sie zärtlich streichelte. Klara ertastete ebenfalls Raúls Oberkörper, strich ihm über Nacken und Schultern, verharrte andächtig bei den ausgeprägten Rückenmuskeln, glitt dann nach vorn und in den Ausschnitt seines Hemdes hinein. Als sie seine eckige Brust und die dichte Behaarung darauf unter ihren Fingern spürte, durchfuhr es sie wie ein Blitz. Sie wollte ihn ganz, jetzt, wollte seine Haut auf ihrer spüren, wollte die Atemlosigkeit ihres Kusses in der Vereinigung ihrer Körper fortsetzen.
Raúl erhob sich und zog sie in einer einzigen Bewegung hoch und zu sich heran. Sie umklammerten einander und pressten ihre Leiber in einer Gier aneinander, als gäbe es kein Morgen. Klara spürte seine Erregung, pralles Fleisch an ihrem Bauch. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte sich an sein hartes Glied. Er umfasste ihre Pobacken und gab durch den Druck seiner Hände einen Rhythmus vor, in dem sie sich an ihn drängte. Nur die Kleider, die sie trugen, standen dem Liebesakt noch im Weg. Beide keuchten.
Und dann stieß Raúl Klara plötzlich von sich fort, drehte sich abrupt um und ging – flüchtete – zu seinem Pferd, wo er sich geschäftig am Sattel zu schaffen machte. Er stand mit dem Rücken zu Klara, hielt inne und sagte schließlich, mit geballten Fäusten: »Es tut mir leid. Ich hätte mich besser im Griff haben müssen.«
Klara bebte noch immer vor Lust, und die Enttäuschung
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