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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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friedliche Stimmung lag über alldem, und weder Raúl noch Klara sagten etwas. Jedes gesprochene Wort hätte die Atmosphäre entweiht.
    Nach etwa zehn Minuten verließen sie die Straße, die nach Santa Margarida führte, und bogen in einen kleinen Feldweg ab. Klara trabte einfach hinter Raúl her. Er würde schon wissen, wo es schön war und gleichzeitig sicher genug, damit sie mit ihren frisch erworbenen Reitkünsten nicht an einem Abhang oder in unwegsamem Gelände ins Straucheln kam. Bisher hatte sie sich wacker gehalten, hatte keinen Augenblick das Gefühl gehabt, das Pferd nicht kontrollieren zu können oder die Balance zu verlieren. Allerdings war die bisherige Strecke auch wirklich leicht gewesen. Bestimmt langweilte Raúl sich zu Tode.
    Das tat er nicht. Er dachte fieberhaft über das Ziel ihres Ausrittes nach. Daran hatte er vorher gar keinen Gedanken verschwendet. Jetzt aber wurde ihm bewusst, dass sämtliche Strecken irgendeine Art von Gefahr bargen. Zu dem schönen Wald an der Nordgrenze seines Landes konnte er Klara nicht bringen, denn der Weg führte durch das steinige Bett eines Baches. In das malerische Dörfchen Escondido konnten sie nicht reiten, weil sie dabei eine Weide hätten überqueren müssen und er nicht wusste, wie Klara oder ihr Pferd auf möglicherweise aggressive Bullen reagierte. Und die Hütte auf der Anhöhe kam ebenfalls nicht in Frage, denn es handelte sich dabei um ein derart romantisches Fleckchen, dass er fürchtete, seine Empfindungen für Klara träten allzu offensichtlich zutage oder, schlimmer noch, sie würde ihn als einen Don Juan betrachten, der all seine Eroberungen zu dieser lieblichen Stelle brachte und sie dort verführte.
    Er schlug den Weg zu der Hütte ein.
    Noch immer hatten sie kein einziges Wort miteinander gewechselt, aber die Stille lastete nicht auf ihnen, sondern gab ihnen ein Gefühl der Vertrautheit. Sie passierten eine Wiese, auf der Pfirsich- und Feigenbäume angepflanzt worden waren, ritten am gras- und schilfbewachsenen Ufer eines kleinen Baches entlang und erreichten dann einen schmalen Weg, der bergauf führte. Raúl blieb stehen. Klara ritt an seine Seite und hielt dort ebenfalls an. Er deutete auf den Hügel: »Traust du dir das zu? Es ist an einigen Stellen ziemlich steil, aber der Weg ist gut befestigt und führt an keinem tief abfallenden Hang oder Ähnlichem vorbei.«
    Warum nicht?, dachte Klara. Das Pferd würde ja kraxeln müssen, nicht sie. Und wenn der Weg gut war … »Ja«, antwortete sie.
    »Gut.« Damit setzte Raúl sich in Bewegung.
    Klara folgte ihm. Der Aufstieg erwies sich als anstrengender, als sie vermutet hatte. Sie musste im Sattel eine unbequeme Position einnehmen, um nicht herunterzurutschen. Zudem war es mittlerweile in der Sonne recht warm geworden, so dass sie ins Schwitzen kam. Aus Angst davor, einen Fehler zu machen und sich zu blamieren, konzentrierte Klara sich ganz auf den Weg. Für die Schönheit der Strecke hatte sie wenig Sinn.
    Das änderte sich, als sie ihr Ziel erreichten. Auf dem Gipfel der Anhöhe, die sie erklommen hatten, thronte ein verfallenes Häuschen, von dem nur noch die Wände aus grobbehauenen Steinen standen. Das Dach fehlte, Äste ragten daraus hervor.
    »Es war einmal zum Schutz der Kuhhirten gedacht«, erklärte Raúl. »Bevor es die ›Herdade da Araucária‹ gab. Heute wird die Hütte wegen der nahe gelegenen
estância
nicht mehr gebraucht.«
    Raúl stieg geschmeidig von seinem Pferd und half ihr, von ihrem herunterzukommen. Dabei umfasste er kurz ihre Taille, ganz keusch und kavaliersmäßig. Dennoch spürte Klara die Kraft in seinen Armen – und einen leichten Schauder. Sofort rückte sie einen Schritt von ihm ab. Dann sah sie sich um.
    Ein atemberaubendes Panorama bot sich ihr dar. Sie befanden sich auf dem höchsten Punkt eines kleinen Berges, mehr eines Hügels, der jedoch, als einzige Erhebung inmitten eines leicht gewellten, insgesamt aber flachen Landes, höher wirkte, als er wahrscheinlich war. Nach allen Seiten hin war der Blick offen. Mit Wildblumen bestandene Wiesen, einige Äcker und kleine Wälder lagen ihnen zu Füßen.
    »Das ist wunderschön«, sagte Klara.
    »Ja, das ist es. Noch mehr würdigen könnte ich es allerdings, wenn ich etwas im Magen hätte.«
    Erst jetzt merkte Klara, dass auch sie furchtbar hungrig war. Sie hatte am Morgen nur eine Tasse Kaffee auf ihrem Zimmer getrunken und einen Keks dazu gegessen.
    »Dann wollen wir mal sehen, was uns Teresa diesmal für

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