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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Schuhreinigung, die völlig für die Katz gewesen war.
    »Was führt Sie hierher? Wie lange sind Sie schon in der Stadt?« Josefina bedachte Raúl mit einem Blick, den sie wohl für unschuldig hielt.
    Raúl, dessen Verärgerung sich so schnell gelegt hatte, wie sie gekommen war, antwortete lächelnd: »Ich bin wegen behördlicher Angelegenheiten hier. Nichts, womit ich eine Dame wie Sie belästigen möchte.« Wie lange er bereits in der Stadt war, behielt er wohlweislich für sich – die schöne Josefina könnte es ihm übelnehmen, dass er sich nicht bei ihr gemeldet hatte.
    »Ach ja, der Amtsschimmel …«, seufzte sie. Raúl war sich sicher, dass die junge Frau in ihrem ganzen Leben nie in die Verlegenheit gekommen war, sich näher mit Bürokraten zu beschäftigen, weder in offizieller noch in privater Mission. Sie war die Tochter eines sehr vermögenden Aristokraten, der seinen Titel, Barão de Santa Maria das Luzes, dem Umstand verdankte, dass er einst mit dem jetzigen Kaiser gezecht hatte. Seinen Reichtum indes verdankte er seiner Frau, der Tochter eines Sklavenhändlers.
    »Bestimmt«, fuhr Josefina fort, »sind diese Angelegenheiten nicht so dringend, als dass sie nicht noch ein wenig aufgeschoben werden könnten? Ich finde, unser zufälliges Wiedersehen verdient zumindest ein Tässchen Schokolade in der Confeitaria Portuguesa.« Sie zwinkerte Raúl kokett zu.
    Der ließ sich bereitwillig von seinem unerfreulichen Behördengang ablenken. Warum nicht ein wenig mit der hübschen Senhorita plaudern? Nach einem Tässchen Schokolade stand ihm zwar nicht der Sinn, lieber hätte er seinen
chimarrão,
den bitteren Matetee, genossen, aber es konnte ja nicht schaden, sich ein bisschen becircen zu lassen. Er hatte schon viel zu lange nicht mehr die Gesellschaft einer hübschen Frau genossen.
    »
Das ist wahr«, erwiderte er also. »Am besten fahren Sie voran, ich folge Ihnen mit meinem Pferd.«
    Es war nicht weit zu dem Kaffeehaus, das Josefina vorgeschlagen hatte. Es befand sich in unmittelbarer Nähe der Praça da Alfândega, auf der an diesem sonnigen Nachmittag zahlreiche Menschen flanierten. Sie fanden einen Tisch am Fenster, von dem aus sie einen wunderbaren Ausblick auf das Treiben draußen auf dem Platz hatten. Doch den hätten sie gar nicht gebraucht. Josefina löste ihre Augen keine Sekunde von Raúl, der wiederum nicht unhöflich erscheinen wollte und ihre Blicke erwiderte.
    »So, und nun müssen Sie mir erklären, warum Sie sich noch nicht bei mir gemeldet haben«, forderte Josefina mit neckischem Unterton, der nicht über den Ernst ihrer Frage hinwegtäuschen konnte.
    »Oh, das hätte ich ganz sicher in Kürze getan. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, nicht wahr, meine liebe Josefina?« Raúl war unaufgefordert zu der vertraulicheren Anrede übergegangen und hatte das formelle
Senhorita
vor dem Namen einfach weggelassen. Die Verwendung ihrer Vornamen schuf eine Vertraulichkeit, wie sie noch gar nicht entstanden war. Wahrscheinlich, dachte er, hielt die junge Dame ihn ohnehin für einen Tölpel vom Lande. Dabei hatte er nur von der eigentlichen Frage ablenken wollen. Ihr zu gestehen, dass er sich bereits seit zwei Wochen in Porto Alegre aufhielt, hätte sie bestimmt gekränkt.
    »Ja, Raúl, wem sagen Sie das?« So konnte man sich täuschen. Josefina hatte ebenfalls freimütig den
Senhor
unter den Tisch fallenlassen. »Ich selber weiß auch schon nicht mehr, wo mir vor lauter Verpflichtungen der Kopf steht.«
    Raúl hob zweifelnd eine Augenbraue.
    »Das mag Ihnen merkwürdig vorkommen, aber als Tochter aus gutem Hause hat man jede Menge blödsinniger Dinge zu tun. Sie können sich gar nicht vorstellen, mit wie vielen langweiligen Leuten ich mich den lieben langen Tag abgeben muss. Außerdem muss ich mich regelmäßig im Theater blicken lassen, Klavierstunden nehmen und derlei Dinge mehr. Dann die leidigen Gänge zu Schneiderin, Hutmacherin, Schuhmacher …«
    »Ein schweres Los.« Trockener hätte Raúl es nicht hervorbringen können.
    »Sie machen sich über mich lustig!«, rief Josefina in gespielter Empörung.
    »Aber keineswegs. Ich finde Sie äußerst amüsant.«
    »So alberne Geschöpfe wie mich findet man draußen in der Pampa wohl nicht so häufig?«
    »Ich bitte Sie, Josefina! Was man in Santa Margarida kaum findet, sind hübsche Damen in so exquisiter Garderobe wie der Ihren. Ein bezaubernder Anblick.«
    Josefina schlug die Augen nieder, als sei sie zu bescheiden, ein solches Kompliment

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