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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Gelehrten. Ich will nicht, dass er sie einschüchtert oder gar quält. Zweitens machen wir am Markt halt, weil ich nämlich ein paar Dinge besorgen muss und weil ich außerdem will, dass Clara unter Leute kommt und das wahre Leben in Porto Alegre kennenlernt.«
    »Einverstanden. In spätestens einer Stunde soll es losgehen, also mach dich und das Mädchen ausgehfein.«
    Gute anderthalb Stunden später fuhren sie los. Raúl saß vorn bei dem Kutscher, hinten saßen die beiden Frauen. Klara trug ordentliche, aber schlichte Kleidung, in der sie wirkte wie ein Lehrmädchen oder eine Handwerkertochter. Ein zufälliger Beobachter hätte aufgrund ihrer Mienen den Eindruck gewinnen können, sie und Teresa seien handelseinig geworden – vielleicht war die Weiße eine Näherin, die der Schwarzen einen schönen Auftrag abgerungen hatte, oder die junge Frau war eine Gouvernante, die ein Einstellungsgespräch zur Zufriedenheit der alten Sklavin absolviert hatte.
    Während der Fahrt sprachen sie kein Wort miteinander. Klara betrachtete die Szenerie, die vorüberbrauste. Sie war überaus fasziniert von der fremden Umgebung, von den exotischen Pflanzen, die am Wegesrand wuchsen, von den Häusern in ihrer südländischen Bauweise, von den anderen Menschen, die ihnen zu Pferde, zu Fuß oder in offenen Kutschen entgegenkamen. Doch schon lange bevor sie das Stadtzentrum erreichten, fühlte Klara sich erschlagen von den vielen Eindrücken, dem bunten und lauten Geschehen auf der Straße. Sie vermisste die Stille und den Frieden im Haus.
    Und dann wusste sie ja auch gar nicht, was man mit ihr vorhatte. War es nur ein harmloser Ausflug? Sicher nicht, denn sonst wäre der junge Herr ja wohl kaum dabei. Brachten sie sie zu einem Arzt? Lieferten sie sie im Armenhaus ab oder an einem vergleichbaren Ort, wo man gestrandete Weibspersonen aufnahm? Klara war ein wenig ängstlich angesichts des unbekannten Fahrtziels. Doch Teresa tätschelte ab und zu ihre Hand und flößte ihr Zuversicht ein. Die herzensgute Negerin würde bestimmt nicht zulassen, dass ihr, Klara, etwas Hässliches widerfuhr.
    Sie hielten vor einem mehrstöckigen Gebäude mit eleganter, stuckverzierter Fassade. Raúl stieg ab, vergewisserte sich, dass die Adresse mit der auf seinem Zettel übereinstimmte, und betätigte den schweren Messingklopfer an der Tür. Nichts tat sich. Er hatte zwar sein Kommen nicht angekündigt, doch Eduardo hatte ihm versichert, dass der Professor kaum je das Haus verließe. Raúl klopfte ein zweites Mal, ungestümer diesmal. Doch nichts im Haus rührte sich. Keine Gardine wurde beiseitegeschoben, keine Stimmen erklangen aus dem Innern – nichts. Das war allerdings sonderbar, denn ein paar Haussklaven würde ein so angesehener Gelehrter doch haben. Und die blieben gemeinhin im Haus, auch wenn ihr Besitzer unterwegs war. Es sei denn, der Herr Professor war überhaupt nicht in der Stadt, sondern mitsamt seinem ganzen Personal verreist.
    »Es sieht nicht so aus, als wäre jemand da«, rief er den Wartenden auf der Kutsche zu.
    Teresa fiel ein Stein vom Herzen. »Wir können es ja später noch einmal versuchen«, rief sie zurück und gab acht, dass ihr die Erleichterung nicht anzuhören war.
    »Ja, das tun wir. Hm … also dann fahren wir jetzt wohl am besten zum Markt, was meinst du? Ihr könnt dort nach Herzenslust einkaufen, und später hole ich euch an der Ecke ab, an der ich euch auch absetze. Ich selber werde unterdessen die Gelegenheit nutzen und bei dem Schneider in der Rua da Independência ein paar Hemden in Auftrag geben.«
    »Und geben Sie gleich auch einen neuen Gehrock in Auftrag«, antwortete Teresa, »der graue ist schon ganz abgewetzt.«
    »
Sim, senhora,
ganz wie Madame wünschen.«
    Klara hatte den kurzen Wortwechsel mitverfolgt. Sie hatte zwar nichts davon verstanden, doch es war ihr nicht entgangen, wie Teresas Anspannung abrupt in jenem Moment nachließ, in dem feststand, dass in dem feinen Haus niemand war. Was auch immer sie hier zu suchen gehabt hatten, es war nichts Angenehmes gewesen. Und es würde warten müssen.
    Die Kutsche fuhr mit einem Ruck an. Kurze Zeit später erreichten sie einen Marktplatz. Teresa bedeutete Klara, abzusteigen. Raúl reichte den beiden Frauen die Hand, erst Teresa, dann Klara, bevor er sich wieder auf den Kutschbock schwang und seinem Fahrer das neue Ziel nannte. Teresa redete auf Klara ein. Sie wirkte sehr ernst, und obwohl Klara sich keiner Schuld bewusst war, erschien ihr das Ganze wie eine

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