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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Abendsonne unsere Gesichter in ihr warmes Licht tauchte, Küsse und keusche Zärtlichkeiten aus. Dabei blieb es allerdings nicht. Im Herbst 1823 verlor ich meine Unschuld, auf einem Hochsitz im Putzenfelder Forst. Dieses erste Mal gehört nicht unbedingt zu den Erinnerungen, die ich in meinem Herzen bewahren möchte. Immerhin, danach wurde es besser. Es wurde sogar so gut, dass ich selber schon ungeduldig unserem nächsten Treffen entgegenfieberte und mich dann schamlos an Hannes rieb. Getrübt wurde das Vergnügen einzig durch die Schreckensvision einer Schwangerschaft. Aber gottlob passierte nichts.
     
    Im April 1824 nahm unser Schicksal eine entscheidende Wendung. Ich wusste es schon in dem Augenblick, in dem ich von weitem den Trommelwirbel vernahm und die Männer auf dem Dorfplatz sah. Sie trugen Uniformen, aber nicht die unserer preußischen Soldaten, denn die kannte ich, und auch nicht die der französischen Soldaten, die bis 1815 allgegenwärtig gewesen waren. Ihre Uniformen waren viel weniger militärisch, sie waren gelb, grün und blau gehalten und mit goldenen Bordüren versehen, beinahe wie die eines Zirkusdirektors. Trotz ihrer schlammverschmutzten Stiefel wirkten sie wie hohe Beamte, was sie jedoch nicht sein konnten – in unser Dörfchen kamen
nie
wichtige Personen. Außerdem waren sie ausgesprochen freundlich, fast jovial, so dass sie auf keinen Fall irgendwelche Würdenträger sein konnte. Ein Grüppchen von Leuten, alle dick vermummt und mit den Füßen in dem aufgeweichten Lehmboden gegen die Kälte anstapfend, versammelte sich um sie. Während der eine Fremde einen Aushang an der kahlen Linde befestigte, trug der andere ihr Anliegen vor, wohlgemut, obwohl er in seinem vornehmen bunten Mantel sicher fror.
    Ich war rein zufällig in der Nähe, um der alten Agnes einen Packen ausgebesserter Kleidung zu bringen, und natürlich ließ ich mich von meinen Pflichten ablenken. Es kamen viel zu selten Fremde nach Ahlweiler, als dass man sich das hätte entgehen lassen können, zumal die beiden Herren ja durchaus gesehen und gehört werden wollten. Das Spektakel hatte bereits begonnen, als ich mich zu der kleinen Menschenansammlung gesellte.
    »… jedem Hausstand 160000 Klafter fruchtbarsten Bodens sowie Saatgut zur Verfügung, des Weiteren Nutztiere und Arbeitsgerät. Jeder Erwachsene erhält im ersten Jahr täglich einen Franken zu seinem Unterhalt, im zweiten Jahr einen halben Franken. Die Familien sind in den ersten zehn Jahren von der Steuerpflicht befreit«, hörte ich den Mann mit seinem merkwürdigen Akzent sagen.
    Dann ging ein Raunen durch die Gruppe, das immer lauter wurde. Wir waren alle sehr aufgeregt.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich Schusters Friede, die neben mir stand. »Wo gibt es das alles? Ich habe den Anfang verpasst.«
    »In Brasilien«, antwortete sie beleidigt. Aus ihrem Mund klang es, als habe der Fremde ihr einen unsittlichen Antrag gemacht.
    Mein Herz klopfte vor Begeisterung schneller. Brasilien! Ich hatte keine Ahnung, wo genau dieses Land lag, wie groß es war und wie es beschaffen war. Aber allein der Name klang so märchenhaft, so exotisch, dass mir davon schwindelte. Ich musste näher zu dem Redner vordringen. Keine Silbe wollte ich verpassen.
    Der Mann war umringt von einer Handvoll Männer, die das Gehörte nicht glaubten und skeptisch dreinblickten. Der Hunsrücker an sich ist nicht gerade für seine Überschwenglichkeit berühmt. Obwohl die Leute vor Neugier schier platzten, stellten sie ihre Fragen in gelangweiltem Ton und mit mürrischen Gesichtern. Doch der Redner ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen. Eher trat das Gegenteil ein: Er begann sich richtig warmzureden und schien selber hellauf begeistert von dem, was er da erzählte.
    »Doch, Leute, ihr könnt’s ruhig glauben. Brasilien ist ein riesiges Land, und die brauchen da jede Menge tatkräftige Unterstützung. Händeringend, sage ich euch, händeringend suchen die nach Handwerkern und Bauern, die das Land urbar machen und es besiedeln. So dringend brauchen die euch da, dass sie euch die Überfahrt bezahlen, dass sie euch Land schenken, ein bisschen Vieh dazu und alles, was ich vorhin schon erzählt habe. Es ist das reinste Schlaraffenland – Winter kennen die da nicht, da könnt ihr zwei Ernten im Jahr einfahren.«
    »Und wieso jetzt? Brasilien gibt’s ja nicht erst seit gestern«, rief Bauer Herbert dazwischen.
    »Ha, eine ausgezeichnete Frage«, lobte ihn der andere Fremde, der

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