Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
Vom Netzwerk:
eines Schlages auf den Kopf, der mit einem spitzen, wahrscheinlich eisernen Gegenstand ausgeführt wurde. Blutspuren, die von der Fundstelle des Hannes Wagner fortführen und sich im Dschungel verlieren, ließen, so der wackere Gendarm, die Vermutung zu, die Frau des Mannes, Klara Wagner, dreiundzwanzig Jahre alt, habe ein ähnlich tragisches Schicksal ereilt.
    Klara Wagners Leiche konnte trotz sorgfältigster Suche bisher nicht aufgefunden werden. Eine Nachbarin der Opfer, Christel Gerhard, hat sich der kleinen Tochter des Paares, Hildegard Wagner, angenommen. Das Kind hat den Angriff auf wundersame Weise ohne körperlichen Schaden überstanden.
    Die Frage des Jornal da Tarde, ob die Frau als Mörderin ihres Ehegatten verdächtigt werde, verneinte João Francisco Pereira entschieden, obwohl er angelegentlich einräumen musste, dass derartige Gerüchte kursierten. »Aber«, so dürfen wir den Gendarmen zitieren, »wenn man mir die Frau lebendig bringt, werde ich sie gern dazu vernehmen.« Aufgrund der Menge der Blutspuren, die im Wald gefunden wurden, sei es äußerst unwahrscheinlich, dass die Frau noch lebe, so Pereira, desgleichen sei es undenkbar, dass sich eine junge Frau mit fremdländischem Aussehen und ohne Sprachkenntnisse derart lange versteckt halten könne, während die einzige andere mögliche Erklärung für das schaurige Verbrechen doch viel wahrscheinlicher sei, nämlich dass die Bluttat den Guaraní-Indianern anzulasten sei.
    Dieser Hypothese muss sich die Redaktion leider anschließen.
    Da die Familie Wagner von allen Nachbarn als ehrbar und friedliebend beschrieben wird, die mit niemandem zerstritten oder gar verfeindet war, glaubt man, dass es sich bei dem heimtückischen Verbrechen nur um einen Racheakt der Eingeborenen handeln kann, wie sie in der Vergangenheit bereits vereinzelt vorkamen. Als besonders infam müssen wir hierbei die Tatsache hervorheben, dass die Mörder nun augenscheinlich zu Waffen greifen, wie sie bisher nicht im tödlichen Repertoire der Indios zu finden waren, um den Verdacht von sich abzulenken.
    Trotz des trügerischen Friedens, der seit einiger Zeit zwischen den Guaraní der Region und den deutschen Siedlern herrscht, lässt diese ruchlose Tat eine rasche und gründliche Untersuchung im Umfeld der Indianer als geboten erscheinen, auf dass man die Übeltäter rasch der verdienten Strafe zuführen möge.
    Raúl war fassungslos.
    Er las den Artikel wieder und wieder, bis er ihn beinahe auswendig aufsagen konnte. War das möglich? Handelte es sich um dieselbe Klara? Aber nein, die Klara, die in diesem Moment beim Licht einer Funzel auf der Veranda saß und sich die Augen an einer Stickerei verdarb, hieß ja mit Nachnamen Liesenfeld. Klara war nun einmal ein weitverbreiteter Name, das schien bei den deutschen Klaras mit K nicht anders zu sein als bei den brasilianischen Claras mit C.
    Andererseits: Alles passte zu gut zusammen, als dass es sich um einen Zufall handeln konnte. Die Altersangabe, Klaras Verletzungen, der Zeitpunkt des Verbrechens – wenn er zurückrechnete, stimmte er ziemlich genau mit dem Tag überein, an dem er Klara gefunden hatte – und nicht zuletzt die Beschreibung der Klara Liesenfeld als einer Person mit »fremdländischem Aussehen und ohne Sprachkenntnisse«, das alles war für eine zufällige Übereinstimmung einfach zu unwahrscheinlich.
    Wenn es sich aber um dieselbe Frau handeln sollte, dann taten sich da Abgründe auf, von denen er nichts geahnt hatte. Wie konnte eine Frau vergessen, dass sie verheiratet und Mutter einer kleinen Tochter war? Nach eigenem Bekunden erinnerte Klara sich an mehr oder weniger alles, was bis kurz vor ihrem Unfall passiert war. Warum hatte sie nie von ihrer Familie gesprochen? Wieso hielt es sie hier noch länger? War sie noch ganz normal im Kopf? Jede andere Frau wäre doch bestrebt gewesen, so schnell wie möglich zu ihrem Kind zurückkehren zu können.
    Zugegeben, brachte Raúl sich selbst wieder zur Vernunft, er hatte sich nie ausführlicher mit Klara unterhalten. Sie hatte ihm irgendwann einmal den Zettel zu lesen gegeben, auf dem ihr Name und ihr Geburtsdatum gestanden hatten. Vielleicht war Liesenfeld ihr Mädchenname, und der war ihr vielleicht eher wieder eingefallen als die Hochzeit mit diesem Hannes Wagner und die Geburt ihres Kindes. Später hatte sie es dann vermutlich nicht mehr für nötig erachtet, weitere Einzelheiten aus ihrem Leben preiszugeben.
    Ach, papperlapapp! Dann hätte sie es Teresa

Weitere Kostenlose Bücher