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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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er gelegentlich betreten, ihn gekreuzt haben – aber kennen tat er ihn nicht.
    Dennoch blieb Klara bei ihrem Lager. Raúl hatte ihr die Schachtel mit den Streichhölzern zugeworfen, bevor er im Wald verschwunden war. Sie würde ein Feuer machen, um gefährliche Tiere fernzuhalten. Fürs Erste reichten die wenigen Zweige, die sie rund um die auserkorene Feuerstelle zusammenscharren konnte. Sie waren feucht und noch biegsam, dennoch gelang es Klara, sie zu entzünden. Sie zischten und spritzten, aber vielleicht war das zur Abschreckung von Tieren gar nicht so schlecht. Es reichte ja ein kleines Feuerchen, kochen würden sie nicht und zu wärmen brauchten sie sich nicht – die Nächte waren schließlich nur unwesentlich kühler als die Tage.
    Klara überlegte, wie und womit sie eine Art Dach oder Segel über sich befestigen konnte. Es war ihr sehr unheimlich, unter der Baumkrone zu nächtigen, wo sich Spinnen und alle möglichen anderen Tiere auf sie herabfallen lassen konnten. Sie wühlte in Raúls Satteltaschen herum, auf der Suche nach einer weiteren Decke oder einem Tuch, das sie für diesen Zweck nehmen konnte, fand jedoch nichts Brauchbares. Nun, dann würde sie eben den schönen Unterrock zweckentfremden müssen, den ihr Teresa geschenkt und den sie nicht übers Herz gebracht hatte, im Haus Almeida zurückzulassen. Er war sehr bauschig, somit aus viel Stoff genäht. Wenn sie ihn an den Nähten auftrennte und die Baumwolle ausbreitete, wäre es genug, um eine Fläche, wie zwei Personen sie einnahmen, damit zu überdecken.
    Gerade als sie die Satteltasche wieder schloss, kam Raúl aus dem Unterholz gekrochen. »Was treibst du da?«, herrschte er sie an. »Was kramst du in meinen Sachen herum?«
    Sie habe nach einer weiteren Decke gesucht, gab sie ihm zu verstehen. Aber er ließ sich nicht überzeugen. Er war erbost über ihre Frechheit. Irgendwo in seinem Hinterkopf flüsterte ihm seine innere Stimme zu, dass er noch immer nicht schlüssig hatte widerlegen können, dass Klara eine »verwirrte« Frau, wenn nicht gar eine Mörderin sein sollte. Wahrscheinlich, dachte er, war dieses mulmige Gefühl auf seine Erschöpfung oder auf seinen Unmut über ihre derzeitige Lage zurückzuführen. Vielleicht war es aber auch die Begegnung mit einem riesigen, aggressiven Ameisenbär, die er gerade hinter sich hatte. Jedenfalls war er ernstlich böse, und er musste sehr an sich halten, um Klara nicht zusammenzustauchen. Streit konnten sie sich jetzt keinen leisten. Sie saßen gemeinsam hier fest, und zusammen mussten sie die Situation meistern.
    Klara bemerkte Raúls Verstimmung. Aber Himmelherrgott, hier war nun einmal kein Raum für Zartgefühl und Rücksichtnahme auf die Privatangelegenheiten anderer. Sie wollten überleben, er genauso wie sie, oder etwa nicht? Sie griff nach ihrem Reisebündel, fischte den Unterrock heraus und zerriss ihn mit einem lauten Ratsch, der für einen Augenblick alle anderen Geräusche des Waldes zum Verstummen brachte. Sie lachte leise in sich hinein. Ja, damit hatte sie die Tiere gehörig erschreckt. Ein tröstlicher Gedanke, dass die Geschöpfe des Waldes mindestens ebenso viel Angst vor ihnen, den Eindringlingen, hatten wie sie vor den Tieren.
    Sie knotete die Zipfel der aus dem Unterrock gewonnenen Stoffbahn um ein paar Zweige. Es war ein schöner Baldachin, groß genug, um darunter Zuflucht zu suchen und vielleicht sogar, bei aller Furcht, ein Auge zutun zu können. Er schuf so etwas wie Heimeligkeit, die wiederum an sich beängstigend war. Klara fürchtete die Nähe, die unweigerlich zwischen ihr und Raúl entstehen würde. Zwar konnten sie in ihrer Situation nicht auch noch die Regeln des Anstands befolgen, aber der Gedanke, dass sie Zeugin von Raúls Schnarchen oder anderer intimer Dinge werden könnte, war irgendwie beunruhigend.
    Nun ja, Schicklichkeit hin oder her, sie würden hier die Nacht gemeinsam verbringen, auf engstem Raum und allein auf die Wachsamkeit des anderen angewiesen. Denn dass sie abwechselnd Wache halten würden, war für Klara beschlossene Sache. Raúl sollte sich bloß nicht als Held und Beschützer aufspielen, indem er die ganze Nacht das Feuer am Brennen und Ausschau nach
jararacas,
Schlangen, oder anderen feindselig gestimmten Tieren hielt, während sie schlief. Er brauchte den Schlaf genauso dringend wie sie, und eine Wachschicht würde sie übernehmen.
    »Ich schlage vor, wir schlafen abwechselnd«, hörte sie ihn hinter sich sagen. »Zuerst du. Nach ein paar

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