Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)
Gästen ausgesprochen liebenswü rdig.
„Also verheiratet möchte ich nicht mit diesem Herrn sein“, bemerkte er. „Seine Frau und die Kinder sind wirklich zu bedauern.“
Janice schaute aus dem Wagenfenster. „Bitte, lach mich nicht aus“, bat sie. „Manchmal habe ich schon darüber nachgedacht, ob es nicht Brian Attard gewesen sein könnte, der Joan Winslow ermordet hat.“
„Nur, weil es sich bei ihm um einen unangenehmen Menschen handelt?“, fragte Walter. Er schüttelte den Kopf. „Es gibt viele Menschen seiner Art. Wenn jeder von ihnen ein potentieller Mörder wäre, könnte man seines Lebens garantiert nicht mehr sicher sein.“
„Die meisten Leute in Saint Vincent denken, dass es ein Fremder gewesen sein muss“, sagte sie. „Ich frage mich nur, weshalb sie dennoch auf eigene Kosten eine Gedächtnistafel in der Kirche anbringen ließen. Zeugt das nicht von schlechtem Gewissen?“
„Oder sie fühlten sich verpflichtet, etwas zu tun“, erwiderte der junge Arzt. „Ich bin zwar erst seit gestern in Saint Vincent, habe jedoch bereits festgestellt, wie stolz die Leute, die seit Generationen hier leben, auf ihr Dorf sind. Es muss sie zutiefst getroffen haben, dass in der Nähe ihres Dorfes ein so grausames Verbrechen gesch ehen ist.“
Janice dachte darüber nach. „Ja, da ist etwas Wahres dran“, meinte sie. „Damals soll hier ein Zirkus gastiert haben. Mrs. Carter, die Besitzerin des Lebensmittelgeschäftes, ist überzeugt, dass unter den Zirkusleuten der Täter zu suchen ist.“
Walter lachte auf. „Es ist schon im Mittelalter beliebt gewesen, herumziehenden Leuten für alles mögliche die Schuld zu geben“, antwortete er. „Ich glaube nicht, dass jemals herauskommen wird, wer Joan Winslow ermordet hat. Dazu liegt die Tat schon zu lange zurück.“ Er sah sie an. „Und ehrlich, mir wäre es bedeutend lieber, wenn der Täter ein Fremder wäre. Der Gedanke, dass womöglich jemand in Saint Vincent herumläuft, der bereits ein Menschenleben auf dem Gewissen hat, gefällt mir überhaupt nicht. Du lebst da draußen ziemlich einsam.“
„Keine Sorge, ich schließe abends stets ab“, sagte Janice.
„So etwas mag mal früher Einbrecher abgehalten haben, heute sind verschlossene Türen ziemlich leicht zu überwinden. Mir wäre es bedeutend lieber, du würdest Gitter vor deinen Fenstern anbringen lassen.“
„Ich fühle mich nicht gefährdet“, meinte die junge Frau. „Trotzdem danke, dass du dir Sorgen um mich machst.“
„Sind Freunde nicht dazu da, um einander beizustehen?“, fragte er und bog in den Fahrweg ein, der zu ihrem Haus führte.
Sie hatten abgemacht, dass er an diesem Abend in der ‚Arche‘ essen würde. Janice fühlte sich nach dem Ausflug und der davor fast schlaflos verbrachten Nacht, ziemlich müde und wollte bald zu Bett gehen.
„Danke, für den wunderschönen Ausflug“, sagte sie, nachdem sie ausgestiegen war.
„Ich habe den Tag auch genossen“, gestand der junge Arzt. „Und jetzt solltest du machen, dass du ins Bett kommst. Du könntest dir ja etwas zu essen in dein Schlafzimmer mitne hmen.“
Janice schaute ihm ins Gesicht. „Nein“, sagte sie. „Nein, ich habe es mir anders überlegt. Ich habe nicht die geringste Lust, allein zu essen. Was würdest du davon halten, wenn wir gemeinsam den Kühlschrank plündern? Eine halbe Flasche Wein ist auch noch von gestern Abend da.“
„Bist du dir ganz sicher, dass du nicht zu müde bist, um noch mit mir zu essen?“, fragte Walter skeptisch.
„Falls ich bei Tisch einschlafen sollte, weck mich, damit ich dich rauswerfen kann“, scherzte die junge Frau und schloss die Gartentür auf.
„Ich nehme dich beim Wort“, versprach er und folgte ihr.
16. Kapitel
Trotz der Beziehungen, die Dr. Thornberry hatte, dauerte es bis in den August hinein, bevor Janice Baker die Erlaubnis erhielt, Maureen für eine Woche zu sich zu nehmen. Es konnte nicht abgestritten werden, dass die Fortschritte, die das Mädchen in den letzten Monaten gemacht hatte, einzig und allein Janice zu verdanken waren. Sie freute sich offensichtlich, wenn die junge Frau sie besuchte, und nur in ihrer Gegenwart lächelte sie. Keinem Psychologen gelang es, sie zum Zuhören zu bewegen, wenn Janice ihr aus ‚Pu, der Bär‘ vorlas, hing sie förmlich an ihren Lippen und zeichnete mit dem Zeigefinger die Bilder nach.
„Meinst du nicht, dass du dir etwas zu viel vorgenommen hast, Janice?“, fragte Ireen Baker, als die junge Frau sie über ein
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