Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)
ein paar Schritte auf Janice zu. Ihre Augen waren starr auf die Puppe gerichtet, sie schien nichts anderes zu sehen.
„Da hast du deine Puppe.“ Janice reichte sie ihr. „Du hast sie bestimmt schon schmerzlich vermisst.“
Maureen riss die Puppe an sich und drückte sie an ihre Brust. Es sah nicht aus, als wollte das Mädchen sie jemals wieder hergeben.
Eins zu Null für mich, dachte die junge Frau. Sie konnte sich jetzt nicht nur sicher sein, dass diese Puppe Maureen gehört hatte, das Mädchen hatte auch gerade einen so gewaltigen Fortschritt in seiner Entwicklung gemacht, wie sie es nicht für möglich gehalten hätte. Ganz bestimmt war es ein Fehler gewesen, dass Georg Winslow seine Tochter nie mehr in dieses Haus gebracht hatte. Dadurch war vermutlich eine unschätzbare Chance vertan worden.
„Du musst deine Puppe nicht hergeben“, sagte sie und fügte fragend hinzu: „Sie heißt Biggy, nicht wahr?“
Maureen reagierte nicht. Die Puppe an sich gepresst, starrte sie in den Garten.
18. Kapitel
Nach dem großen Erfolg, den Janice bereits an Maureens Ankunftstag gehabt hatte, hatte sie gehofft, es würde so weitergehen, doch während der nächsten Tage machte das Mädchen so gut wie keine Fortschritte. Jedes Mal, wenn es der jungen Frau erschien, als würde Maureen etwas aufmerksamer, stellte sie gleich danach fest, dass sie sich irrte. Allerdings weigerte sich Maureen, ihre Puppe auch nur für Minuten aus den Augen zu lassen. Wohin sie im Garten auch gingen, Biggy begleitete sie. Beim Essen saß sie mit am Tisch und nachts lag sie neben Maureen im Bett. Janice fragte sich, was wohl Mrs. Long dazu sagen würde, wenn sie mit dieser alten, kaputten Puppe ins Heim zurückkehrten.
Die junge Frau saß an Maureens Bett und las ihr aus ‚Pu, der Bär‘ vor. Sie hatten fast den ganzen Tag am Strand verbracht. Allerdings nicht an dem Strand, der unterhalb ihres Hauses lag, sondern zwei Kilometer weiter. Janice hatte es nicht gewagt, mit Maureen den steilen Klippenpfad hinunterz usteigen.
Maureen fielen schon fast die Augen zu. Sie schaute zu der Wand, auf der Pu in der Kaninchenhöhle steckte, streckte die Hand aus und ließ sie Sekunden später sinken. Die Puppe an sich gepresst, schlief sie ein.
Janice löschte das Deckenlicht und ließ nur die kleine Nachtlampe brennen, die sie auf dem Boden gefunden hatte. Sie wusste, dass sie unbesorgt ins Wohnzimmer hinuntergehen konnte. Maureen würde die ganze Nacht durchschlafen.
Mit einem Buch setzte sie sich die Couch, doch sie konnte sich nicht auf den Roman konzentrieren. Es kam ihr vor, als würde ihr die Zeit davonlaufen. Andererseits hatte sie ja etwas erreicht. Wenn sie Maureen am Montag zurückbrachte, hieß das noch lange nicht, dass man ihr nicht wieder gestatten würde, sie für ein paar Tage nach Cornwall mitz unehmen.
Janice zog sich eine Jacke über und ging in den Garten. Sie setzte sich auf die Mauer und schaute zum Strand hinunter. Unten im Sand spielte das Kind. Langsam richtete es sich auf, schaute zu ihr hinauf und rannte d avon.
Die junge Frau blickte zu Maureens Fenster. Sie sah den Widerschein des Nachtlichts. Nicht zum ersten Mal überlegte sie, ob sie Maureen nicht für immer zu sich nehmen sollte. Natürlich würde es nicht leicht sein, die zuständigen Stellen davon zu überzeugen, dass sie für Maureen genauso gut sorgen konnte, wie man es im Heim tat. Und sie war sich auch der Verantwortung bewusst, die sie damit auf sich nahm.
Was wohl Walter dazu sagen würde?
Sie konnte es kaum noch erwarten, ihn danach zu fragen. Er hatte versprochen, am nächsten Nachmittag zu kommen. Wenn nicht er, wer sollte dann verstehen, dass Maureen die Eltern zu ersetzen, genau die Aufgabe war, die sie brauchte?
19. Kapitel
„Mommy! Mommy!“
Janice drehte sich zur anderen Seite. Nach wie vor träumte sie fast jede Nacht von ihrem Mann und ihrem Sohn. Manchmal wachte sie frühmorgens auf und merkte, dass sie im Schlaf geweint hatte.
„Mommy, wach auf!“
Die junge Frau blinzelte. „David!“, schrie sie auf. Ganz deutlich erkannte sie in dem kleinen Jungen, der vor ihrem Bett stand, ihren Sohn. „David, bist du es wirklich?“ Sie streckte die Hand aus und fasste durch ihn hindurch.
„Ja, ich bin es, Mommy“, antwortete er. „Du musst dich nicht fürchten. Ich bin immer bei dir, auch wenn du mich meistens nicht sehen kannst.“
„Ich fürchte mich nicht“, erwiderte Janice und richtete sich auf. „Wieso sollte ich mich vor dir
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