Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Rippe , wo unser Herr Bruder verkehrt, gehe ich jedenfalls nicht. Da herrscht mir zu viel vulgärer Lärm.«
»Nicht in die Birne «, beharrte Magda starr. »Überhaupt, ich habe vor Einbruch der Dunkelheit noch zu mälzen, und was soll denn der Großvater zu Abend essen?«
Sie wollte mit dem Karren an ihm vorbei, doch er verstellte ihr den Weg. »Ich habe mit dir zu sprechen, Magda.« Wieder einmal verlief etwas anders, als er es sich ausgemalt hatte, doch davon würde er sich nicht beirren lassen.
Müde blieb sie stehen und stützte sich auf die Griffe des Karrens. »Ja, dann sprich, Utz.«
»Es geht um das Geld«, bekannte er mutig. »Um unser Geld, das wir den Sommer über erwirtschaftet haben. Es ist sauer verdient, das weiß ich nur zu gut, und du hast gewiss gehofft, jeden Pfennig wieder in den Braubetrieb zu stecken. Aber Magda, du weißt ja, dass ich nicht zum Brauer geboren bin. Der Sinn steht mir nun einmal nach Höherem, daran lässt sich nichts ändern. Es ist nun einmal ein jeder in der Welt an einen Platz gestellt.«
»Was willst du denn sagen, Utz? Sei mir nicht böse, aber mir tun die Beine weh, und ich habe daheim noch zu schaffen.«
»Sagen will ich, dass ich mir wieder etwas aufbauen möchte. Erst einmal im Kleinen – ein geschicktes Geschäft hier und eines dort, wie ich es angefangen habe, als wir noch in Bernau waren.«
»Aber das darfst du doch nicht. Du bist ja kein Mitglied der Gilde.«
»Nein, und dank Bechtolt werde ich wohl auch nie eines werden können«, erwiderte Utz bitter. »Aber auch als Gildeloser darf ich im kleinsten Rahmen Geschäfte tätigen, solange ich niemandem in die Quere komme. Wie ich dir sagte – ich will ja nur hier und da ein wenig für mich schaffen, und natürlich ändert das nichts daran, dass ich dir helfend zur Seite stehe. Wenn es mir aber gelingt, einen gewissen Betrag zusammenzubringen, dann dachte ich daran, aus Brandenburg fortzugehen. In die Gegend, von der ich dir einst erzählt habe, dorthin, wo der pralle Wein wächst, wo das Wetter freundlich ist und die Menschen echte Herzlichkeit besitzen. Ich werde als Fremder kommen, und gewiss wird der Neuanfang kein Honigschlecken, doch zumindest werde ich dort auf Geschäftspartner stoßen, die einem unbescholtenen Mann keine Steine in den Weg legen.«
Sie sagte nichts. Sah ihn nur unverwandt an, die Augen weit und leer im aschfahlen Gesicht. Zum ersten Mal bemerkte er, welch ungewöhnliche Farbe sie hatten, ein klares Grün wie der Weiher, an dem er Fronica geliebt hatte, wenn an schönen Tagen die Sonne darauffiel. »Mein Herz«, sagte er und griff nach ihren Händen. »Versteh mich doch. Es ist mein Lebenstraum. Wenn ich ihn verliere – was habe ich dann noch, um dafür zu leben?«
»Seltsam«, murmelte Magda. »Ich habe so etwas nie gehabt. Einen Lebenstraum. Ich wollte, dass meine Familie zusammenbleibt, dass wir es warm beieinander haben und dass überm Feuer stets ein Topf hängt, in dem dicke Erbsen für den Abend köcheln. Aber ja, natürlich. Wenn du ohne deinen Traum nicht leben kannst, dann darfst du wohl nicht auf ihn verzichten. So wie Lentz auf seinen Gang ins Kloster nicht verzichten konnte. Ich zähle nachher das Geld und rechne aus, was ich dir geben kann, einverstanden? An welche Summe hattest du gedacht?«
Ihr Ton war kühl und fremd. Aber sie würde ihm das Geld geben. »An die Hälfte«, antwortete er.
»Die Hälfte kannst du nicht haben«, erwiderte Magda. »Ich muss etwas für die Zeit zurücklegen, in der der Großvater nicht mehr arbeiten kann. Und ich muss Diether etwas geben, vergiss das nicht.«
»Bist du wahrhaftig der Ansicht, Diether stünde von unserem Geld etwas zu?«
»Tu mir den Gefallen«, sagte Magda, »und frag mich nicht, wem von euch etwas zusteht, denn das weiß ich nicht mehr. Ich werde jedem von euch geben, was ich geben kann, aber ich muss für Diether und den Großvater sorgen, einerlei, was wird. Jetzt lass mich bitte nach Hause. Wenn ich bis spät in der Nacht überm Malz stehe, komme ich morgen nicht rechtzeitig hoch.«
Das Gespräch war sein erster Sieg, wenn auch nur der allerwinzigste. Sein Traum würde sich nicht so schnell erfüllen, wie er es sich erhofft hatte, aber erfüllen würde er sich. Er war nicht dazu verurteilt, in der Braustube zu verrotten, sondern würde wieder lichtere Zeiten erleben. Vor seinen Augen schimmerte die Glaskugel in neuem, frisch poliertem Glanz.
Vor Magda allerdings hatte er sich geschämt. Sie sah so müde aus,
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