Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
helfen, selbst das Letzte, werde ich tun. Als Mann der Welt habe ich dir nichts zu geben. Als Bruder der Franziskaner aber hindert mich nichts daran, dir in der Not ein Freund zu sein.«
»Ich will keinen Freund!«, rief Magda tränenblind. »Ich will keinen Bruder. Ich will dich!«
Er musste zu ihr zurückkommen. Er war immer gekommen, wenn es ihr übel ergangen war, nie hatte er seine eigenen Belange über die ihren gestellt wie die anderen Menschen in ihrem Leben. Er war der eine, auf den sie sich stützen durfte, der Kraft genug besaß, sie zu halten, wenn das Leben sie ins Wanken brachte.
Er kam nicht zurück. »Lass uns jetzt gehen«, sagte er.
»Nicht, ehe du mir gesagt hast, warum du mir das antust. Warum du unsere Art, uns zu lieben, die stark und anders und nur für uns gemacht ist, in deine Hände nimmst und zerbrichst. So, wie man etwas ins Feuer wirft, weil man es nicht mehr braucht.« Die Rede und die Tränen nahmen ihr den Atem. »Du sagst, du kannst mir als Mann nichts geben«, presste sie mühsam hervor. »Aber war das, was wir hatten, denn nicht genug? Ich bin Brauerin. Mein Bier werde ich als Frau noch brauen dürfen, wenn es unter meinem Dach keinen Braumeister mehr gibt. Gewiss wird die Zunft mir den Beitritt verweigern, und den großen Betrieb kann ich dann nicht mehr halten, aber den Unterhalt für mich und meine Brüder bringe ich allemal mit meiner Arbeit auf. Was verlange ich also von dir?«
»Viel weniger, als du verschenkst, mein nobles Mädchen. Aber du bestehst darauf, dich öffentlich mit einem Kerl wie mir zu zeigen. Das hieße, dir die Ehre zu nehmen, oder …«
»Oder zu leben, wie es von Anbeginn für Mann und Frau bestimmt ist!«, rief sie triumphierend. »Was wäre denn daran so schrecklich? Hast du Angst, ich lege dich in Ketten, und wenn du mir nicht zu Willen bist, bekommst du ganz fürchterlich Prügel mit dem Besenstiel?«
Traurig lachte er auf. »Dazu braucht man keinen Mann zu prügeln, Liebste. Ganz fürchterlich schon gar nicht.«
»Dich offenbar schon.« Sie rannte durch das hohe Korn zu ihm, schlang die Arme um ihn und schmiegte sich an seinen Leib, wie sie es viele Male getan hatte, in dem Wunsch, ihm näher zu sein als jedem Menschen. Die Sehnsucht ließ sie an allen Gliedern flattern, machte ihr den Gaumen trocken und den Kopf federleicht. Jede Pore, so fühlte es sich an, öffnete sich, um ihn aufzunehmen, ihn zu spüren, um mit ihm zu verwachsen wie Schlehe und Eiche oder tausendmal fester. »Sei mir zu Willen, mein Liebling«, flüsterte sie. So hatte sie keinen genannt. Auch Endres nicht.
Er stöhnte, kämpfte und löste sich. Nahm sie bei den Armen. »Ich kann dich nicht heiraten, Magda. Ist dir das jetzt Antwort genug?«
»Wie sollte es? Du nennst mir ja keinen Grund.«
»Ich kann nicht für dich sorgen. Nein, erzähl mir nicht, ich hätte studiert und könne doch eine Stellung in den städtischen Amtsstuben finden, denn das kann ich nicht. Ich kann nirgendwo eine Stellung finden, die mir das Recht dazu gäbe, um ein ehrbares Mädchen zu werben. Du hast mir von eurem Hass auf die Zisterzienser in Chorin erzählt, aber ich habe dir etwas nicht erzählt: Ich war selbst in Chorin. Ich stand vor dem hohen, hinter Bäumen verborgenen Tor und habe mir gewünscht, dort Einlass zu finden, hinter den Mauern verschwinden zu dürfen und nie wieder aufzutauchen. Die Zisterzienser aber hätten einen wie mich nicht in ihre Reihen aufgenommen. So steht es um mich. Ich bin ein Mann ohne Ehre. Du hast nicht aufgehört zu fragen, mein Mädchen aus Bernau, und jetzt, so leid es mir tut, wirst du die Antwort aushalten müssen.«
»Und wenn ich dir nicht glaube?«
Er zuckte mit den Schultern. »Es wird dunkel. Wir hören jetzt endlich mit dem Reden auf und gehen.«
Es war das erste Mal, dass er sie grob anfasste. Ihr war es egal. Ihr war alles egal. Sie ließ sich an seinem Arm zurück in die Stadt schleppen und dachte im Rhythmus ihrer stolpernden Schritte nur eines: Es ist nicht wahr. Was er versucht, mir einzureden, ist nicht wahr.
22
Nichts war Utz je so schwergefallen, als sich nach seiner Niederlage gegen Bechtolt aufzurappeln. Er hatte in seinem Leben manchen Schlag einstecken müssen und war mehr als einmal zu Boden gegangen. Er hatte öfter mit ansehen müssen, wie ihm ein Gebäude, das er mühsam errichtet hatte, vor den Augen zertrümmert wurde, er hatte von vorn beginnen müssen, doch er hatte nie die Hoffnung verloren.
Diesmal war es anders. Mit
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