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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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so am Ende ihrer Kraft, und die Sorge um Diether hing ihr wie ein Wackerstein um den Hals. Er hatte es nicht über sich gebracht, ihr einen Teil des Ersparten zu nehmen, sondern hatte mit ihr vereinbart, dass er von jetzt an wöchentlich einen Anteil der Einnahmen für sich behalten würde, der seinem Anteil an Arbeit entsprach. »Ich verspreche dir, mein Herz, ich gehe nicht fort, ehe ich sicher bin, dass ihr zurechtkommt«, sagte er.
    »Geh nur, wann immer es dir passt«, hatte sie ohne Regung erwidert. »Um uns sorg dich nicht. Wir werden schon nicht untergehen.«
    In dieser Nacht konnte Utz nicht schlafen. Stundenlang lag er wach und entwarf Pläne für die Brauerei. Je schneller das Gewerbe zu Erfolg kam, desto eher hatte er sein Reisegeld zusammen und desto besseren Gewissens konnte er Magda zurücklassen. Jener verteufelte Mönch hatte die Wahrheit gesagt: Am Olden Markt waren nur noch Pfennige zu holen, die wahren Geschäfte wurden auf dem Mühlendamm und am Neuen Markt getätigt. Er würde dort einen Stand mieten oder besser eine fest errichtete Bude, die bei Weitem mehr hermachte. Er selbst, so beschloss er, würde sich nicht zu fein sein, sich dahinterzustellen und das allseits beliebte Bier aus Bernau anzubieten.
    Falls Bechtolt auftauchte und ihn mit seinem Hohn übergoss, würde Utz ihm die kalte Schulter zeigen. In diesem einen Fall glaubte er an das, was die Weiber munkelten, die Liebestränke und Blicke in die Zukunft verhökerten: Man begegnete sich immer zweimal im Leben. Bechtolt und seiner Schwester würde er zum zweiten Mal begegnen, wenn er als gemachter Kaufmann aus dem Süden eine Reise in die unwirtliche Mark unternahm. Die Abrechnung würde dann stattfinden. Und zu seinen Bedingungen.
    Gleich am nächsten Morgen machte er sich auf den Weg zur Marienkirche, um mit der Aufsicht am Neuen Markt zu verhandeln. Das Treiben, das dort herrschte, das Feilschen und Schachern, das Bieten, Wägen und Zugreifen versetzten ihn in Hochstimmung. Irgendwann würde es ihm doch noch gelingen, sich seinen Platz in dieser Welt zu erobern.
    Nicht auf der Linken, wo es stank wie auf dem Schindanger, wo zwei Zoten reißende Metzger einen an den Läufen aufgehängten Hammel schlachteten und das Blut wie aus geplatzten Schläuchen spritzte. Nein, er, Utz Harzer, sehnte sich von klein auf nach der Rechten, wo sich auf langen Tischen blitzsaubere Waren reihten, Kostbarkeiten, die die Härte des Lebens dämpften und die sein Herz höher schlagen ließen: fein gewirkte Tuche, Pelze, Schmuck und Zierrat, duftende Spezereien und kunstvolle Schmiedearbeiten aus edlem Metall. Auch Glas, das aus Böhmen oder der venezianischen Republik stammte, klar und makellos wie die Kugel, die die Bilder seiner Zukunft bewahrte. Kein anderes Material versetzte Utz so sehr in Entzücken wie dieses. In der Augustsonne ließ er sich ein paar Schritte weit treiben und gab sich der Süße seiner Träume hin.
    »Ja Gott, sag an, Harzer, mein Bester – ist das denn wahr, dass man Euch auch einmal wieder zu Gesicht bekommt?«
    Utz stockte der Herzschlag. Spielten ihm seine Augen einen unerhörten Streich, oder war der Kerl, der vor ihm seinen Wanst ausstreckte, wahrhaftig Bechtolt? Er war es. Wie er leibte und lebte. In den paar Monaten seit ihrer letzten Begegnung war er noch feister geworden, und seine seidige Schecke war so kurz, dass sie auf den massigen Hinterbacken auflag. Unter seine albernen Schnabelschuhe hatte er sich Trippen geschnallt, auf denen er wie eine Ente watschelte.
    »Vergnüglicher Zufall«, bemerkte sein fetter Feind mit einem kehligen Lachen. »Ob Ihr’s glaubt oder nicht, gerade haben wir von Euch gesprochen.« Wen er in sein Wir einschloss, zeigte er Utz mit einer lässigen Geste auf die Gesellschaft in seinem Rücken, drei nach neuester Mode ausstaffierte Herren und eine Dame, die sich um einen Verkaufstisch scharten.
    Die Dame hätte Utz unter sämtlichen Frauen der Christenheit erkannt. Ihr Gebände saß fest, von dem reizenden Grübchen im Kinn war keine Spur zu erspähen, genauso wenig wie von dem rotgoldenen Feuer ihres Haars. Doch allein um das Geheimnis zu wissen, weckte das alte Brennen, das zwischen den Schenkeln begann und bis in Brust und Kehle loderte. Jäh wünschte er sich, Fronica den scheinheiligen Kopfputz herunterzureißen und sie an ihrem prachtvollen Haar über den Platz zu schleifen, wie man es mit Huren tat, auf die Pranger und Rute warteten.
    Es war nicht einmal mehr die verschleierte

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