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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Witwenhaube, die dieses verdorbene Haar bedeckte!
    Bechtolt bemerkte seinen Blick. »Ja, ja, meine Schwester«, brummte er mit verschwörerischem Grinsen. »Die habe ich gleich vom Totenbett weg neu verheiratet, war nur froh, sie wieder an festen Zügeln zu wissen. Gewiss kennt Ihr das, Ihr habt ja selbst eine Schwester. Man trägt doch Verantwortung für so ein verstandloses Geschöpf und möchte nicht, dass es sich mit seiner Unvernunft in Schwierigkeiten bringt …« Bedeutungsschwanger ließ er den Satz in der Luft hängen, ehe er auf einen der Herren wies, der eine eigentümlich flache Kappe aus moosgrünem Samt trug. Er hatte ein ordentlich gestutztes silbriges Bärtchen, wirkte prächtig genährt und ausgesprochen heiter. »Mein Schwager Nummer zwei«, erläuterte Bechtolt. »Der Herr Adalbert. Aus dem Bayrischen.«
    Utz Lippen waren so fest aufeinandergepresst, dass er Blut zu schmecken glaubte. Nicht einmal ein Nicken brachte er als Antwort zustande.
    »Ist ein gewichtiger Mann da unten.« Statt seiner nickte Bechtolt mehrere Male, wobei sein Doppelkinn Wellen schlug. »Im Morgen- wie im Abendland gibt es keine Ware, die er Euch nicht bieten kann. Vorausgesetzt, der Preis stimmt!« Bechtolt lachte, dann beugte er sich vor und flüsterte Utz ins Ohr, als wäre der sein Spießgeselle: »Menschenfleisch eingeschlossen. Lebendiges, versteht sich. Derzeit steht ihm jedoch der Sinn danach, seine Nase fürs Geschäft in unserem schönen Brandenburg unter Beweis zu stellen.«
    Der Geruch des Dicken – ein Gemisch aus Moschus, Fürzen und gebratenen Zwiebeln – trieb Utz die Tränen in die Augen. Er trat einen Schritt beiseite, wodurch Bechtolt ins Schwanken geriet. »Oh, ich sehe, Ihr habt es eilig. Geschäfte, was?«
    Hastig brummte Utz seine Zustimmung. Er wollte den Blick von Fronicas Gebände losreißen und seitlich im Gewimmel untertauchen, aber Bechtolt ergriff vertraulich seinen Arm. »Ach, sagt mir doch, Bester, betreibt Ihr denn noch immer Eure kleine Brauerei?«
    Als ob der Kerl das nicht wüsste, als ob es irgendetwas in dieser Stadt gab, das er nicht wusste! Utz zwang sich zu einem Räuspern. »Allerdings«, bekundete er. »Ich wüsste nicht, was mich davon abbringen sollte, so glänzend, wie die Geschäfte gehen. Unser Bier aus Bernau erfreut sich bei den Berlinern größter Beliebtheit.«
    »Das freut mich zu hören, mein Bester.« Bechtolt entblößte eine Reihe merkwürdig klein geratener Zähnchen. »Und umso gespannter bin ich, wie unseren Berlinern das Bier aus der berühmten bayrischen Brautradition munden wird.«
    »Bayrische Brautradition?« Die Worte waren bereits ausgesprochen, als er bemerkte, wie dümmlich sie klangen.
    »Aber ja, ich sagte Euch doch – mein Schwager.« Noch einmal wies Bechtolt auf den Mann mit der Kappe, der jetzt beiläufig die Hand hob und seine Finger über Fronicas Gurgel spielen ließ. »Wir dachten uns, wir tun uns zusammen: Er gibt das Seine, ich stecke das Erbe vom Lebus hinein, und mit dem ganzen Batzen begründen wir eine Großbrauerei. So etwas fehlt doch bei uns, und Bier ist wie Brot: Es wird zu allen Zeiten gesoffen. Eine solche Goldgrube darf man schließlich nicht allein den Klöstern überlassen.«
    »Ihr wollt …«, stammelte Utz, verlor die Stimme und begann von Neuem: »Ihr wollt eine Brauerei begründen? Wollt in dieser Stadt Bier verkaufen?«
    »Und wie ich das will!« Bechtolt strahlte über pralle Backen. »Wenn der mit dem Teufel verbündete Spandauer mit seinen Tuchen sein angestammtes Feld verlässt und in meinen Jagdgründen wildert, bleibt mir nichts übrig, als dasselbe zu tun, oder nicht?«
    Utz hatte keine Ahnung, wer der mit dem Teufel verbündete Spandauer war, und er wollte es auch nicht wissen. Er wusste, wer Bechtolt war. Das genügte für ein ganzes Leben.
    »Die Idee, das muss ich gestehen, stammt allerdings nicht von mir«, schwatzte Bechtolt weiter. »Von meiner Schwester stammt sie, von der holden Fronica. Da staunt Ihr, was? So viel Geschäftssinn traut man den flatterhaften Wesen gar nicht zu, aber selbst plätschernde Wasser sind gelegentlich tief. Vielleicht solltet Ihr Eure Schwester auch einmal nach ihren Ideen fragen, mein Bester!«
    Mit einem sachten, fast unhörbaren Klirren schlug die Glaskugel auf dem Boden auf und zersprang. Utz erstarrte. Wie die Frau des Lot, die sich nach dem Verlorenen umgedreht hatte, wurde er zur Säule aus Salz und würde sich nie mehr rühren.
    »Ihr sagt nichts?«, fragte Bechtolt

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