Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Kate vor der Stadt. Jetzt denk nicht gleich wieder das Schlimmste von mir. Ich hab mich eben trösten müssen, weil Alheyt mich hat sitzen lassen. Da kam die kleine Worša mir gerade recht.«
»Und wenn sie dir nicht mehr recht ist, schickst du sie zum Teufel, ja?«
»Beim Himmel, sprich doch leiser. Soll jeder dich hören?«
»Ich habe nichts dagegen. Vielleicht wird es Zeit, dass ganz Bernau erfährt, was für ein Lump mein Bruder sein kann.«
»Die Worša sieht das anders«, giftete er zurück. »Die ist gern mitgegangen, und mein Bier hat sie auch gern getrunken – hätte, wenn du nicht aufgetaucht wärst, auch gern noch ein zweites gehabt.«
»Das kann ich mir vorstellen. Das arme Ding hatte wahrscheinlich seit drei Tagen nichts im Magen.« Die Wenden, so hieß es, hatten in Brandenburg gelebt, lange bevor die Deutschen gekommen waren und sie aus Städten und Dörfern in die Wälder und ins Ödland vertrieben hatten. Dort hausten sie in zugigen Katen, verdingten sich als Tagelöhner oder rangen dem störrischen Boden einen Ertrag ab, von dem in Bernau kein Stück Vieh lebte. »Und das nutzt du aus, Diether? Die Not dieser Leute nutzt du ohne Skrupel aus?«
»Jetzt hör doch auf, dich zu ereifern – du bist ja schon purpurrot im Gesicht wie Propst Nikolaus«, sagte Diether und hielt sie an den Armen fest. »Ich nutze gar nichts aus, ich hab der Kleinen geholfen, das ist alles. Was habe ich eigentlich verbrochen, dass ihr alle grundsätzlich das Schlimmste von mir denkt?«
»Was soll das heißen, du hast ihr geholfen?«
»Es heißt, was es heißt«, entgegnete Diether gekränkt. »Sie war eben mit dem jungen Linhart unterwegs und wollte nicht so, wie er wollte. Er hat sie geschlagen – da habe ich ihm eine gepfeffert, ihm das Mädchen weggerissen und es mitgenommen, damit es in Sicherheit ist und etwas in den Bauch bekommt. Und – bin ich nun der Wüstling, den du so gerne in mir sehen möchtest, oder bin ich vielleicht doch dein Bruder Diether, den du als leidlich netten Kerl kennen solltest?«
»Ach Diether – warum sagst du das denn nicht gleich?«
»Hast du mich bitte schön zu Wort kommen lassen? Du hast doch losgeschimpft, dass unser Propst daneben blass geworden wäre.«
»Und hatte sie damit etwa unrecht?«, erhob sich eine Stimme neben Magda. Sie wandte den Kopf und entdeckte Endres, der lautlos an ihre Seite getreten war.
»Ach, unser Prachtkerl«, höhnte Diether. »Das war ja klar, dass der sich einmischen muss.«
»Hör damit auf.« Verlegen senkte Endres den Blick. »Dein Großvater hat das frische Starkbier nicht vertragen, er wusste nicht mehr, was er spricht. Aber Utz weiß es, und der hat dir immer wieder gesagt, du sollst mit dem jungen Linhart keinen Streit anfangen. Den Linharts steht das Wasser bis zum Hals, die würden nach jedem Strohhalm greifen. Und einer dieser Strohhalme könnte sich bieten, wenn sie uns, ihre Rivalen, in Verruf bringen. Ich bin sicher, der junge Linhart würde dich nur allzu gern wegen dieses Mädchens vor den Rat zerren und deinen Ruf beschmutzen.«
»Aber deshalb kann doch Diether das Mädchen nicht seinem Schicksal überlassen«, rief Magda. »Wenn der Linhart es schlägt – was hättest du denn getan?«
Endres schwieg. Sie schwiegen alle drei, sodass auf einmal die Pfeifen und Fiedeln wieder hörbar wurden. »Vielleicht erzählst du deiner Schwester besser, wie es wirklich war«, sagte Endres endlich, drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort davon.
Die Geschwister sahen einander an. Diethers Blick begann zu flackern, doch Magda erlaubte ihm nicht, ihr auszuweichen. »Herr des Himmels«, stöhnte er schließlich, »also zugegeben, die Maulschelle, die der Linhart ihr verpasst hat, die hat sie bekommen, weil sie ein klein wenig mit mir geschäkert hat. Eine Wendin, ich bitte dich – wenn sich der Linhart beträgt, als gehöre die ihm allein, ist er doch selber schuld. Und wenn er dem Rat vorheult, ich hätte ihm die Kleine gestohlen, dann halten die versammelten Würdenträger sich die Wänste vor Lachen.«
Magda musste die Fäuste in den Rockfalten ballen, um nicht ihrerseits ihrem Bruder eine Maulschelle zu verpassen. »Dass du so über Menschen sprichst, ist widerlich«, rief sie, während Tränen des Zorns ihr die Sicht raubten. »Falls du es nicht weißt – in Brandenburg sind Wenden und Deutsche einander rechtlich gleichgestellt, und wenn auch die Zünfte sich weigern, einen wendischen Bewerber aufzunehmen, so sind sie doch Gottes
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