Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
dem Mord begegnet? Ich hab ihn übrigens heute gesehen, deinen Bruder , hörte Magda sie sagen. In der Frühe – er sah aus, als wären sieben Teufel hinter ihm her. Beschrieben hatte sie ihn als den Blonden, der überall vorgibt, zu sein, was er nicht ist. Nein, Brida war vermutlich keine vorteilhafte Zeugin, auch wenn sie sofort in die Bresche springen würde, um Magda zu helfen.
»Ein Schläfchen machen musst du aber auch mal, Schwesterchen«, sagte Petter. »Was nützt es Diether, wenn du uns zusammenbrichst?«
»Nein, nach Schlaf verlangt es mich nicht«, erwiderte Magda, die sich überwach fühlte. »Nur kurz gehen und jemanden sprechen würde ich gern, sobald alles auf dem Weg ist.«
»Oha!« Petter grinste. »Ganz so ein stilles Wässerchen ist das Schwesterchen also auch nicht. Aber recht tust du daran. Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, steht schon in der Heiligen Schrift, oder etwa nicht?«
»Um so etwas geht es nicht«, erwiderte Magda. »Es ist ein Mönch.« Wo sie ihn finden sollte, wusste sie nicht. Nur dass sie ihm danken wollte, weil er Diether half, und ihm sagen, dass sie jetzt seine Entscheidung verstand.
»Das sind die Wildesten«, bemerkte Petter. »Aber wenn der Diether erfährt, dass ich über so etwas mit seinem Schwesterchen spreche, lande ich samt Malz und Hopfen in der Würzepfanne.«
Es dämmerte bereits, ehe sie dazukam, nach Thomas zu suchen, und wie so oft hatte es begonnen zu regnen. Petter und Hans waren losgezogen, um Zeugen aufzutreiben, und Gretlin half dem Großvater, der Magdas Scharren auf dem Markt übernommen hatte. Lentz wollte zum Kloster zurück und in Erfahrung bringen, wie die Dinge im Fall des Propstes standen. Die Oberen der Franziskaner standen in ständiger Verbindung mit dem Rat. »Außerdem hoffe ich, dort Thomas zu treffen und zu hören, wie es Diether geht.«
»Ich ginge gern mit dir«, sagte Magda schlicht. »Ich möchte mich bei Thomas bedanken.«
»Soll ich es für dich tun?«
»Nein.«
Lentz warf ihr von der Seite einen Blick zu, stellte aber keine Frage mehr, sondern machte sich mit ihr auf den Weg.
Die Stadt schien verändert. Als hätte sich ein Schleier auf all die Lebhaftigkeit, das stete, emsige Treiben gesenkt. Die Leute schienen früher als gewöhnlich vor dem üblen Wetter in ihre Häuser zu flüchten und hinter den Fensterläden darauf zu warten, was als Nächstes geschah. Ja, genauso kam es Magda vor – als ob die ganze Stadt in Spannung und Schweigen auf etwas wartete.
Lediglich in der Großen Straße kam ihnen ein Tross Menschen entgegen, Männer und Jungen, die Kienfackeln trugen und sich suchend nach allen Richtungen umschauten. Magda hatte keine Augen für sie, ihre Gedanken waren samt und sonders bei der Begegnung, die ihr bevorstand. Lentz hingegen lief hinüber, um mit dem Anführer der Leute zu sprechen. »Das hat nichts mit unserer Sache zu tun«, versicherte er Magda, als er zurückkam. »Da ist vor zwei Nächten eine Frau aus dem Marienviertel verschwunden. Nach der suchen sie.«
Magda hatte die verschwundene Frau vergessen, kaum dass sie die Klosterstraße erreichten. Was sollte sie tun? In Wind und Regen stehen bleiben und Lentz bitten, ihr Thomas nach draußen zu schicken? Gerade als sie dazu ansetzen wollte, kam er von der Stadtmauer her auf sie zugelaufen. Gegen den Wind, sodass sein Haar und seine Kutte wehten. Magda hätte gern zu gleicher Zeit geweint und gelacht.
»Thomas!« Lentz fuhr herum. »Kommst du aus dem Kerkerturm?«
Er nickte. »Euer Bruder ist wohlauf, soweit das in seiner Lage möglich ist. Seine Haltung ist vorbildlich, und seine Stärke reicht sogar zum Witzereißen.« Die Worte waren an Lentz gerichtet, doch sein Blick wich nicht von Magda. Sie genoss es unendlich, ihm in die Augen zu sehen, in das Funkeln, das dem Achat glich und immer ein Lächeln zu bergen schien, einerlei, was ihm geschah.
»Wird er gut behandelt, Thomas?«
»Einen Menschen, den man gut behandeln möchte, wirft man in kein stinkendes Loch, denke ich. Man beschimpft ihn auch nicht als Mörder und droht ihm nicht, ihm die Glieder auf dem Rad zu zerreißen. Aber gemessen an den Umständen ist die Behandlung wohl annehmbar. Er ist unverletzt, bekommt genug zu essen, und ich durfte ihm noch eine Decke bringen.«
»Das macht mich so froh«, sagte Lentz. »Wie sollen wir dir dafür nur danken?«
»Gar nicht«, erwiderte Thomas. »Die Decken gehörten dem Kloster, und euch habe ich ja keine gebracht.«
»Du weißt,
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