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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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damit gemeint«, sagte Magda, die kein Latein konnte, aber das Gebet von klein auf kannte und wusste, dass die Zeile Und führe mich nicht in Versuchung bedeutete. »Damit gemeint ist: Bring mich nicht dazu, anderen wehzutun, sie zu erniedrigen, ihnen Fallen zu stellen und mich an ihnen schadlos zu halten. Bring mich nicht dazu, andere zu behandeln, als wären sie nichts wert, mich aufzuspielen, als wäre ich besser als sie, doch, vor allem, bring mich niemals dazu, ein Leben zu nehmen, wo ich keines geben kann . Glaubst du nicht auch, das alles hat Gott damit gemeint? Wie kann er denn gemeint haben: Bring mich nicht dazu, einen Menschen zu lieben, einen Menschen hüten und ihn in meinen Armen halten zu wollen, weil Du, Gott, ihn so schön gemacht hast? Gott wäre dumm, wenn er das gemeint hätte, oder?«
    »Und wer bist du, mein haarsträubend hinreißendes Mädchen aus Berlin?« Seine lachenden Augen glänzten. »Eine Magistra der Theologie?«
    »Ich weiß ja nicht einmal, was das ist.«
    »Kein Wunder. Das gibt es ja auch nicht. Und wenn ich dir zuhöre, begreife ich, warum Männer den Frauen verboten haben, Gelehrte zu werden. Wir bekämen keinen Fuß mehr auf den Boden, sobald wir euch die Tore öffneten.«
    »Und das findest du gerecht? Seid ihr den Frauen derart unterlegen, dass ihr Verbote braucht?«
    »Also schön. Vielleicht sollten wir erwägen, das Verbot in seiner Gänze aufzuheben und es lediglich für Berlinerinnen aufrechtzuerhalten.«
    Sie versetzte seinen Lippen einen Klaps und mochte die Hand nicht mehr wegnehmen. »Liebster Thomas. Soll dir die Berlinerin, die auf dein Verbot nichts gibt, noch einmal erklären, warum Gott sie mit der Zeile aus dem Paternoster nicht gemeint haben kann? Weil sein Sohn, der aus Liebe zu uns gestorben ist, uns dieses Gebet zum Abschied geschenkt hat. Und es wäre großer Kohl, jemandem, den man liebt, zum Abschied zu sagen: Hab dein Leben nicht lieb. Hab keine Freude daran. Fühl dich niemals auf Erden ein wenig wie im Paradies.«
    Er atmete tief ein und aus. Dann nahm er ihre Hand und küsste ihr Gelenk dort, wo ihr Leben schlug. »Wenn du mich fragst, ist Gott damit einverstanden. Aber sag’s nicht zu laut, nein? Uns genügt ein weltliches Gericht wegen Mordes, wir brauchen nicht noch ein kanonisches wegen Ketzerei.«
    »Das denkt man jetzt oft, nicht wahr?«, fragte Magda grüblerisch. »Dinge, über die man sich früher erschreckt hätte, weil sie sich anhören wie Ketzerei?«
    Thomas nickte. »Weißt du, was gestern Nacht jemand zu mir gesagt hat? Er habe das Gefühl, seine Kumpane wollten das Gewicht Gottes mit irdischen Kräften bewegen. So fühlt sich diese ganze Zeit an, oder? Etwas ist aus den Fugen geraten, und wir müssen ein mächtiges Gewicht bewegen, um Gott wieder nahe zu sein, doch unsere irdischen Kräfte möchten sich vor Angst davor verkriechen.« Er küsste ihr Gelenk noch einmal. »Ich mag das, was du gesagt hast, aber vorsichtig musst du trotzdem sein. Du darfst nicht zuschanden gehen, meine weise, süße Versucherin aus Berlin.«
    Der Wein, den Michel ihnen gebracht hatte, blieb stehen, denn Magda hatte ohnehin genug getrunken. Brot und Käse blieben ebenfalls stehen, denn das, was in ihren Leibern einen Tanz aufführte, gestattete kein Essen. Über den Krug und den Korb hinweg mussten sie ihre Gesichter hindern, aufeinander zuzurücken, und das war so schwierig, wie zwei dieser Metallteile auseinanderzuhalten, die wie durch Zauberhand einander anzogen.
    Das, was zwischen ihr und Thomas geschah, hatte mit Zauberhänden nichts zu tun. Es war völlig erklärlich, fand Magda. Sie passten zueinander. Sie waren beide stark und dem Leben gewachsen, mit der Zunge zu schnell, ein bisschen überheblich und gedankenlos. Sie waren beide gewitzt und zuweilen unverschämt, sie lachten zu viel und zu laut, selbst da, wo Lachen als nachgerade teuflisch galt. Sie zogen aber auch vor dem Leben den Kopf ein, hielten den Atem an und schlotterten an allen Gliedern, weil sie der Kälte so wenig ausweichen konnten wie der Wärme. Sie waren überhaupt eher lausig im Ausweichen. Er hieß Thomas und hatte Achataugen wie ein welscher Verführer, schwarzes Haar, das nur ein Unmensch scheren konnte, und einen Leib, auf dem ne nos inducas in tentationem stand. Sie hingegen hieß Magda und war ein stampfender Krautkopf aus Brandenburg, aber aus unerklärlichen Gründen fand er sie so schön wie sie ihn.
    Dazu brauchte es keine Zauberhände. Das war so, seit die Welt

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