Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
was ich meine. Meine Schwester Magda hier ist eigens mitgekommen, weil sie sich bei dir bedanken will.«
Magda ertrug es nicht länger. »Kannst du uns allein lassen?«, sagte sie zu Lentz und sandte ihm einen Blick. »Bitte frag nichts.«
»Bleibt das jetzt für alle Zukunft so, dass mir einer von euch verbietet, Fragen zu stellen?«, meinte Lentz und spielte den Gekränkten, doch dann trollte er sich und ging hinüber zum Kloster, um sich nach dem Verlauf der Ratssitzung zu erkundigen.
Worte hatte Magda sich nicht zurechtgelegt, und es fielen ihr auch jetzt keine ein. Es gab weder etwas Falsches noch etwas Richtiges, das sie tun konnte, nur ein Einziges, ohne Möglichkeit der Wahl. Sie trat auf ihn zu, reckte sich und küsste ihn auf den Mund. Sacht und verhalten begann sie, zügelte sich und ließ ihm Zeit. Erst als sie sah, dass er die Augen halb schloss, und sein dunkles, unterdrücktes Stöhnen hörte, legte sie alles in den Kuss, was sie ihm geben wollte. Irgendwann schloss er die Arme um ihre Mitte, und sie schloss die Arme um seinen Hals und begann, während sie ihn küsste, seinen Nacken zu streicheln. All das Wilde, Gierige, Ungezähmte, das sie mit ihm erlebt hatte, bäumte sich von Neuem in ihr auf, doch sie kämpfte es nieder. In diesem Augenblick, mitten im Regen, wollte sie nichts als zärtlich zu ihm sein.
»Wenn du gern möchtest, dass jemand vom Kloster uns sieht, hättest du den Ort geschickter nicht wählen können«, sagte er, als sie sich lösten.
Sie musste an sich halten, um seine Augen nicht zu streicheln, in denen der Schalk funkelte, so bedrückt ihm zumute sein musste. Das linke Augenlid hing ein wenig tiefer als das rechte. »Nein, Thomas«, sagte sie. »Ich will mit dir sprechen. Irgendwo, wo wir Ruhe und Zeit haben und, falls möglich, nicht nass bis auf die Haut werden. Nur dieses eine Mal. Das verspreche ich dir.«
Gelinde argwöhnisch furchte er die Brauen, während der Schalk in seinen Augen längst seine Zustimmung gab. »Ist die Hohle Birne in Ordnung?«
»Die Hohle Birne ist wundervoll.«
Auf dem Weg in die Schänke kam ihnen ein weiterer Tross Fackelträger entgegen, die nach der verschwundenen Frau suchten, doch ansonsten begegnete ihnen kein Mensch. Das Gasthaus war behaglich und verschwiegen, wie sie es kannten und dringend brauchten. Magda, die erst jetzt spürte, dass sie vor Nässe triefte, klapperten die Zähne. Thomas bat Michel um eine Decke und breitete sie ihr um die Schultern. »Jetzt habe ich dir doch eine Decke gebracht, und du musst dich bei mir bedanken.«
»Ich möchte mich immerfort bei dir bedanken, Liebling. Für so vieles, dass es die ganze Nacht dauern wird, und dann ist es noch nicht genug.«
»Nicht«, sagte er rau. »Ich schäme mich, wenn du so mit mir sprichst.«
»Du hast dich genug geschämt, Thomas. Hör auf damit!«
Sie liebte sein Lachen, das immer überrumpelt klang. »Erklärst du mir auch noch, wie man das macht, mein unglaubliches Mädchen aus Bernau?«
»Thomas?«
»Ich glaube, so heiße ich.«
»Darf ich dir etwas Komisches sagen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich mir sicher war, dass du nicht locker lässt, ob ich nun Nein sage oder nicht.« Jäh nahm er ihre Hand vom Tisch, presste sie sich an die Wange und legte sie zurück. Seine Mundwinkel zuckten. »Spuck aus, was du ohnehin nicht im Mund behalten kannst.«
»Ich habe es so geliebt, wie du mein Mädchen aus Bernau zu mir gesagt hast«, begann Magda. »Zu mir hat nie jemand etwas so Schönes gesagt, und ich habe bestimmt noch nie in ein paar Worten so sehr mich gefunden. Heute in der Frühe habe ich gedacht, dass ich mein schöner Mann aus Spandau zu dir sagen möchte. Aber es passt nicht mehr. Weder das eine noch das andere. Thomas, wenn wir diesen Kampf um Diether gewinnen und selbst wenn wir uns nicht mehr wiedersehen – kannst du dann in Gedanken mein Mädchen aus Berlin zu mir sagen?«
Seinem Gesicht zuzusehen, dem Ausdruck, der von tiefstem Erstaunen bis zu beinahe diebischem Vergnügen wechselte, war zu viel Freude für ein enges Herz. Die Füße unter dem Tisch wollten mittun, die Hände über dem Tisch, der Mund und der gesamte Rest. Alles wollte nach ihm greifen, ihn sich zu eigen machen und nicht mehr hergeben.
»Weißt du, dass ich jedes Mal, wenn wir beten, et ne nos inducas in tentationem, an dich denken sollte?«, fragte er lächelnd. »Und dass mein sturer Schädel sich weigert, zu glauben, du seist damit gemeint?«
»Ich bin ja auch nicht
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