Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Kleidungsstück seine Beine hinunter, ertastete berauscht die Muskeln von Schenkeln und Waden und küsste ihm erst die eine, dann die andere Fußsohle, dass er schauderte. Dann stand sie auf, legte die Hand auf seine flache Bauchdecke und fuhr mit köstlicher Scheu daran herunter. Er hatte alles andere als einen Grund, verlegen zu sein.
Ohne Hast knotete er sämtliche Bänder an ihren Kleidern auf und ließ eines nach dem anderen an ihr herunterrutschen.
»Meine Schönste«, sagte er voller Staunen. »Mein schönstes Mädchen aus Berlin.«
Sie hatte auch keinen Grund, verlegen zu sein. Sie würde nie wieder einen haben.
Das erste Mal liebte er sie, und sie war glücklich, weil sie ihm Glück schenkte, weil unfasslich war, dass sie imstande sein sollte, ein solches Glück auf das Gesicht eines Menschen zu zaubern. Das zweite Mal liebte sie ihn, weil sie das Glück auf seinem Gesicht noch einmal sehen wollte, und er lachte, küsste sie überall und sagte: »Lass dir doch Zeit. Wenn ich dir hätte entfliehen wollen, hätte ich früher aufstehen müssen.«
Das dritte Mal liebten sie einander, und das Glück überrollte sie in einer solchen Woge, dass sie vergaß, auf das Glück auf seinem Gesicht zu achten. Der Rausch aus Glück hielt an, bis sie jedes bisschen Kraft ihrer Körper verausgabt hatten und keuchend und umschlungen liegen blieben. Sie musste ein bisschen weinen, weil sie wusste, sie würden sich ein viertes Mal nicht lieben können und weil sie das Übermaß des Glücks auf seinem Gesicht nie wieder sehen würde. Dann aber begann sie, seinen Rücken zu streicheln, die vernarbte, verheilte Haut, und er ließ es zu, ohne zusammenzuzucken oder auch nur einen Muskel zu versteifen. Stattdessen schloss er die Augen, barg den Kopf in ihrem Arm und schlief unter ihrer Zärtlichkeit ein.
Zum Zischeln der Kerze hörte Magda ihr Herz schlagen. Einen Mann zu lieben, war wundervoll, doch über den Schlaf des Geliebten zu wachen, war kein geringeres Wunder.
Als sie selbst nicht viel später in Schlaf gefallen war, hatte sie sich so rundum sicher und behütet gefühlt wie nicht einmal als Kind. Dennoch suchte ausgerechnet in dieser Nacht das Entsetzliche sie von Neuem heim. In der Morgenkälte kam es ihr vor, als wären sie beide zugleich aus dem Schlaf geschreckt. Er war bleich, fand sie. Sie legte ihm die Hand auf die Brust, um sein Herz zu spüren, das kräftig, doch viel zu hastig schlug.
»Hattest du wieder den Traum?«, fragte er und glättete mit beiden Händen ihr Haar.
Magda nickte und ließ sich in seine Arme fallen. Die Mutter war die Stiege heraufgekommen, hatte Diether in die Kammer geschoben und gesagt: »Ich bringe dir deinen Bruder. Er hat dich innig geliebt, und er wird dich weiter lieben, doch heute Nacht muss er dir Lebewohl sagen.«
»Lebewohl, Magda«, hatte Diether mit einer Stimme gesagt, die als die seine nicht mehr kenntlich war. »Du warst mir die Liebste von allen, hast du das überhaupt gewusst? Ich hätte dir so gern geholfen, ich hätte dir gewünscht, dass alles Glück der Welt auf dich fällt und du dich dein Leben lang nie allein fühlen musst.«
Magda hatte die Träume nicht mehr fürchten wollen, doch jetzt packte die Angst sie an sämtlichen Gliedern und schüttelte sie durch. Sie waren alle gestorben, wie der Traum es angekündigt hatte, der Vater, Barbara, Alheyt, der alte Linhart und Endres. Heute würde wieder ein Mensch, den sie liebte, sterben, und nichts, was sie tat, würde imstande sein, es aufzuhalten.
Sie klammerte sich an Thomas’ Schultern, stieß alles aus sich heraus und ließ sich von ihm wiegen, bis zumindest ihr Atem ein wenig ruhiger ging.
»Magda«, sagte er und hörte nicht auf, sie zu streicheln, »erklär mir das: Wenn Diether, wie wir annehmen, nicht vor Freitag vor Gericht steht, weshalb sollte er dann heute sterben? Selbst wenn ein Todesurteil gefällt würde, was wir doch verhindern wollen, würde es nicht sofort vollstreckt, und wir hätten noch immer Zeit, mit einem Gnadengesuch bis vor den König zu ziehen.«
»Wäre es nicht verständlich, wenn Diether Hand an sich legt? Wenn er das alles nicht mehr erträgt?«
»Er ist voller Zuversicht«, erwiderte Thomas mit undeutbarem Unterton. »Er weiß, er hat Propst Nikolaus nicht getötet, und er weiß auch, dass wir alles tun werden, um das zu beweisen.«
»Thomas«, flüsterte sie und begrub ihr Gesicht an seinem Hals.
»Sprich es aus, Liebstes. Quäl dich nicht.«
»Ich kann nicht.«
»Hilft
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