Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
Vom Netzwerk:
gehen und den Großvater holen!«, rief sie mit fremder, aufgesetzt heiterer Stimme. »Um diese Zeit trinkt er ja immer seine Milch.«
    »Und ich denke, du lässt den Großvater schlafen«, sagte Utz und trat einen Schritt auf sie zu. »Du hast das alte Scheusal doch gerade erst zu Bett geschickt.«
    Im selben Moment fiel ihr ein, dass Utz nicht von der Tür her, sondern aus dem Winkel am anderen Ende des Raumes gekommen war. Wie lange hatte er dort gestanden, und was, um alles in der Welt, hatte er dort getrieben? Er ging noch einen Schritt auf sie zu. »Natürlich hat niemand Fronica Bechtolt getötet, um Diether zu schaden. Der, der sie tötete, tat es, um Schaden von der Welt zu nehmen. Manche Menschen sind abgrundtief böse und richten großen Schaden an. Sie stoßen die, die sie lieben, von sich, und über ihre Qualen lachen sie. Das ist grausam, oder nicht? Fronica Bechtolt war solch ein grausamer Mensch. Unser Vater war einer. Meinst du nicht, es ist für die Welt ein Segen, solche grausame Kreaturen dem Teufel zurückzuschicken, der sie uns gesandt hat?«
    Wie gebannt sahen sie einander an, bis sein Gesicht vor ihren Augen verschwamm. Stattdessen rauschten die Ereignisse noch einmal an ihr vorüber, Teile fielen an ihren Platz und ergaben ein Bild, das sie in seinem ganzen Grauen nicht erfassen wollte. Ein Schrei entfuhr ihr. Mit einem Satz war er bei ihr und presste ihr die Hand auf den Mund. »Nicht doch, Magda, nicht schreien, weck den Großvater nicht auf. An dem ist dir doch so viel gelegen, an dem Satan, der sich einen Spaß daraus gemacht hat, mir Stiche zu versetzen, Jahr um Jahr, Stich um Stich, bis ich gedacht habe, ich muss an all dem Blut in mir ersticken.«
    »Diether wollte dich schonen«, brach es ohne Zusammenhang aus Magda heraus, sobald er ihren Mund freigab. »Er hat es all die Jahre gewusst und ist an dem Wissen fast verrückt geworden. Deshalb hat er Pater Honorius benannt – um von dir abzulenken und jemanden zu beschuldigen, den wir nicht belangen konnten.«
    »Selbst ein blindes Huhn findet manchmal ein Korn«, sagte Utz. »Als du mir diese Sache mit Pater Honorius erzählt hast, konnte ich kaum glauben, dass ich nicht selbst auf die Idee gekommen war.«
    »Aber warum Endres?« Ihre Stimme war nur noch ein Wimmern. »Endres war nicht grausam, er hat nie einem Menschen etwas Böses getan!«
    »Er saß auf deiner Mitgift«, sagte Utz. »Er stand unserem Aufstieg im Weg. Glaub mir, Magda, wenn er etwas wert gewesen wäre, hätte ich ihn dir gelassen, aber er war nur ein völlig gewöhnliches Bübchen, das seinen Mangel an Geistesgaben hinter beflissenem Eifer versteckte. Allein wie er immer am Pult stand und verzweifelt versuchte, sich ein paar Buchstaben und Zahlen einzuprägen! Sogar Diether, der Faulpelz, hat im Handumdrehen lesen gelernt, aber Endres hätte es im Leben nicht begriffen.«
    »Und deshalb musste er sterben?«, fuhr sie auf. »Weil er nicht klug genug war, um lesen zu lernen?«
    »Er war nicht gut für dich«, erwiderte Utz und presste ihr wieder die Hand auf die Lippen. »Und der Mönch mit den welschen Augen ist es auch nicht. Du hast mir versprochen, du würdest nicht mehr mit ihm verkehren, aber du hast dein Versprechen gebrochen, nicht wahr, Magda?«
    Zu ihrem Entsetzen begannen Magdas Arme wie Geschöpfe mit eigenem Willen an ihrem Körper zu schlottern. Ihre Beine erschienen ihr morsch und schwach, als wären sie nicht länger imstande, ihr Gewicht zu tragen.
    »Nein, Magda, mein Herz. Hab keine Angst vor mir. Ich habe dich innig geliebt und habe mir gewünscht, dass alles Glück der Welt auf dich fällt. Ich könnte dir kein Leid antun, Magda. Nicht, wenn du mich nicht dazu zwingst.«
    »Was willst du?«, keuchte sie, während aus ihren Augen ohne Unterlass die verfluchten Tränen strömten und sie blind machten.
    »Geld«, sagte er. »Kannst du dir das nicht denken? Bei dem Aufwand, den ihr betreibt, wird Diether demnächst freigesprochen, und statt seiner opfert ihr mich. Also muss ich verschwinden. Richtung Süden, wo an den sonnigen Hängen der Wein blüht. Ich habe von jeher dorthin gewollt, hier in Brandenburg war ich immer fremd.«
    »Aber Diether ist unschuldig!«, schrie Magda. »Du hast die Morde begangen, du musst dafür einstehen, sonst rührt einer wie Linhart alles auf, und Diether stirbt auf dem Rad.«
    Diesmal schloss sich seine Hand so fest um ihren Mund, dass es wehtat. »Hör auf zu schreien!«, befahl er. »Ihr werdet Diether schon

Weitere Kostenlose Bücher