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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Euch!« Das blasse Mädchen hängte sich an den Arm des Verführers. »Darf ich mit Euch zu Diether gehen? Ich möchte ihn so gern sehen und ihm Mut zusprechen.«
    Mit dem Lächeln des Jägers erkor er die Schwangere zu seinem nächsten Stück Beute aus. »Ich kann nichts versprechen. Aber es ist gut möglich, dass Ihr ihn sprechen dürft.«
    Nach kurzem Palavern beschlossen sie, alle in den Kerker zu ziehen, der Verführer, das Mädchen, der Bäcker und der Bader. Der Großvater ließ sich unter Murren zu Bett schicken, und der Letzte, der bei Magda verblieben wäre, wollte den Guardian des Klosters sprechen. Er, in seinem Winkel, musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht in Jubel auszubrechen. Mühselig hatte er Finten erdacht, mit denen er die Horde aus dem Haus locken wollte, und nun räumten sie, einer nach dem andern, freiwillig das Feld.
    In erstaunlicher Geschwindigkeit löste das Knäuel an der Tür sich auf. An die Stelle des Lärmens und Tobens trat Stille. Nur das Schnarchen des Großvaters drang aus dem Dachstuhl herunter. Magda, die allein blieb, schloss vor dem Dunkel, das aufzog, einen Fensterladen. Dann zündete sie inmitten der Unordnung auf dem Tisch eine Kerze an.

36
    Magda hatte erwogen, das Geschirr in den Zuber zu räumen und zum Spülen in den Hof zu tragen, doch dann entschied sie sich anders und setzte sich für eine Weile nieder. Sie war erschöpft. Sie brauchte Zeit, um nachzudenken. Wenn diese Frau, Bechtolts Schwester, mit einem der Länge nach gesetzten Schnitt getötet worden war, dann konnte das kein Zufall sein. Jemand versuchte gezielt, die Morde an Endres und dem Vater nachzustellen und Diether damit zu belasten. Aber wer kam auf einen derart infamen Plan, zumal die Frau offenbar getötet worden war, ehe der Mord an Propst Nikolaus geschah?
    Immer wieder kam sie auf Linhart zurück, weil es keinen anderen gab, der auch nur den mindesten Grund gehabt hätte. Dass Linhart in seiner Rachsucht wie ein getretenes Tier um sich schlug, vermochte sie sich vorzustellen. War aber Linharts kleiner Geist imstande, eine solche Intrige anzuzetteln? Abrupt stand sie auf, um doch den Tisch abzuräumen. Ihre Gedanken bewegten sich im Kreis, und ihre Grübeleien führten zu nichts.
    So bedrohlich die Geschehnisse waren, verspürte sie eine eigentümliche Ruhe, die von der Gewissheit stammte, nicht allein zu sein. Es war wundervoll, Menschen um sich zu haben, die wie selbstverständlich einen Teil der Last für sie schleppten. Ein Mann muss wissen, wohin er gehört, sonst ist er nicht mehr als ein Schiffbrüchiger in einem schwankenden Kahn. Wer hatte das zu ihr gesagt? Einerlei, von wem es stammte, es traf zu und galt für Frauen genauso wie für Männer.
    Eine Bewegung ließ sie herumfahren. Aus dem toten Winkel hinter gestapelten Fässern löste sich ein Schatten. »Guten Abend, Magda.«
    »Beim Herrgott, hast du mich erschreckt!«, entfuhr es ihr. Dann hörte sie, wie falsch das klang, und fügte eilig hinzu: »Entschuldige, Utz. Ich hatte dich ganz …«
    »Vergessen, Magda? Das ist doch nichts Neues für mich. War es nicht immer so? Lentz ist der Gute, und Diether ist der Böse. Magda ist jedermanns putziges Kälbchen, und Utz können wir vergessen. Vielleicht hatte ich erhofft, zumindest du würdest anders empfinden, aber ich bin es mittlerweile ja gewohnt, dass meine Hoffnungen zu Staub verpuffen.«
    »Aber so ist es doch nicht!«, rief Magda, ohne zu begreifen, warum ihr Herz zu rasen begann und warum das Blut ihr in den Ohren rauschte. »Wir haben doch alle nur solche Angst um Diether, da fällt es schwer, an anderes zu denken.«
    »Auch das ist nichts Neues. Wir haben doch ständig Angst um Diether, sodass wir auf die, die es auch noch gibt, keine Kraft vergeuden können.«
    »Utz, ich bitte dich. Wenn meine Art, dieses Haus zu führen, dir missfällt, lass uns darüber sprechen, sobald Diether in Sicherheit ist. Gerade ist wieder etwas geschehen, das unsere Zuversicht zunichtemachen kann: Eine Tote ist gefunden worden, auf dieselbe grausame Art gemordet wie Vater und Endres. Jemand hat das getan, um Diether zu schaden, daran besteht kein Zweifel! Die Tote hatte gar nichts mit uns zu tun, sie soll die Schwester von Bechtolt gewesen sein …«
    Magda stockte. Als sie sich eine Hand an die Wange legte, spürte sie deren Eiseskälte. Nein, sie oder Diether hatten mit der Schwester von Bechtolt nichts zu tun, doch wie stand es mit Utz, der den Mann seit Jahren kannte? »Ich denke, ich werde

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