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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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den Utz dem Rat der Stadt geschrieben hatte, vermutlich nicht mehr rechtzeitig eingetroffen. So aber lag den Herren nun ein umfassendes Geständnis für drei Mordtaten vor, von denen lediglich eine in ihre Gerichtsbarkeit fiel. Ob dies Bechtolt und seinen Leuten bekannt war, wusste Magda nicht. Sie selbst hatte es durch Clewin Alvensleben erfahren, der über die Entwicklung höchst erleichtert war. In jedem Fall besaßen sie jetzt die Gewissheit, dass niemand Diether aus den Morden seines Bruders einen Strick drehen konnte.
    Die Nachricht aus Avignon fiel hingegen niederschmetternd aus. Sie war vor zwei Tagen durch einen Nuntius überbracht worden und hatte ihrer aller Zuversicht erschüttert. Aus düster dahingemunkelten Ahnungen war auf einen Schlag eine Bedrohung geworden, die zum Greifen nahe über ihren Köpfen schwebte. Papst Johannes hatte den Bischöfen von Kamin, Verden und Ratzeburg die Befehlsgewalt übertragen. Sie waren beauftragt, über den Rat der Doppelstadt Cölln-Berlin sowie über die beiden Städte die feierliche Exkommunikation zu verhängen, sollte die Schuld eines Einzeltäters nicht bewiesen und jener Täter nicht mit äußerster Härte bestraft werden. Der weltliche Arm der Gerichtsbarkeit war angewiesen, der kirchlichen zu Hilfe zu eilen, falls es beim Vollzug des Banns zu Widersetzungen kam.
    Damit war es besiegelt. Es hieß nun Diether oder Berlin, den erhofften dritten Ausweg gab es nicht.
    »Die meisten Händler aus der Gilde stehen überhaupt nicht auf Bechtolts Seite«, hatte Thomas’ Vater mit kummervoll gefurchter Stirn erklärt. »Die Stimmung, die er gegen die Harzers macht, erscheint ihnen degoutant, doch ihre Sorge gilt ihren Geschäften. Der Bann schneidet Berlin vom Fernhandel aus den christlichen Ländern geradezu ab. Die meisten von uns können einen solchen Schlag vielleicht überleben, doch mit Fortschritt und Entwicklung ist es auf lange Zeit vorbei. Vielen Gildebrüdern fällt es schwer zu begreifen, warum man irgendeinen Brauerssohn aus Bernau nicht einfach opfern soll, um eine solche Katastrophe abzuwenden.«
    Während sein Vater sprach, hatte Thomas Magda im Arm gehalten, doch anschließend hatte er ihr nicht wie sonst versichert, dass Diether freigesprochen würde, sondern war still geblieben, wie tief in Gedanken versunken.
    Er war ihre Stärke gewesen in diesen Wochen, ihr Halt, ihr Quell von Hoffnung und Mut. In den Nächten, wenn das ständig überfüllte Haus im Schlaf lag, hatte er sich zu ihr unter die Decke geschoben, »Notfall« in ihr Ohr geflüstert und ihr den Trost seiner überbordenden Zärtlichkeit geschenkt. Wenn ich von einem anderen ein Leben bekäme und von dir nur diese Handvoll Wochen, ich wüsste dennoch, wo mein Füllhorn liegt, dachte Magda und lernte, dass unendliches Glück und unendliche Traurigkeit Hand in Hand gehen konnten.
    Dass er heute nicht bei ihr sein durfte, war hart. Umso enger scharrten sich Gretlin, der Großvater, Hans und Petter, der ein Gurkenfass im Arm hielt, um sie und versuchten, die Lücke, die an ihrer Seite klaffte, zu schließen. Es war erstaunlich, wie selbstverständlich ihre kleine Schar die verbotene Liebe hingenommen hatte. Vielleicht weil wir begriffen haben, dass ne nos inducas in tentationem nicht: Lehre mich, nicht zu lieben heißt, dachte sie und war von Neuem erfüllt von Trauer und Glück.
    Hätte sie Thomas gedrängt, an ihrer Seite zu bleiben, so hätte er es getan, dessen war sie sicher. Damit aber hätte es für ihn keine Zukunft innerhalb des Ordens mehr gegeben. Sie hatte ihm versprochen, ihn gehen zu lassen, und er hatte die Erfüllung des Versprechens in diesen harten Nächten nie gefordert. Heute bekam er sie ohne Forderung von ihr. Sie würde versuchen, sich damit zu trösten, dass er in den Reihen der Seinen lediglich ein paar Schritte hinter ihr stand. So wird es für immer sein, nicht wahr? Dass du mir fehlst, wird mir wehtun, aber du verlierst mich nicht aus den Augen, sondern stehst nur ein paar Schritte hinter mir.
    Magda stützte sich auf den freien Arm, den Petter ihr bot, drehte sich auf Zehenspitzen und ließ ihre Blicke schweifen, um die Anspannung des Wartens zu überbrücken. Die Gerichtslaube, die sich an die westliche Stirn des Rathauses schmiegte, mochte der einzige Ort weit und breit sein, der noch menschenleer war. Allen Raum, der drum herum zur Verfügung stand, füllten sie. Die Berliner.
    Heute wurde über das Schicksal ihrer Stadt entschieden. Menschen klammerten sich vor

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