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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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gejuckt, dass man es ihm nicht schnell genug gerben konnte?«
    »Vielleicht habt ihr es ihm einmal zu oft gegerbt«, erwiderte Magda, obwohl der Großvater Diether mit dem Stock zwar ständig gedroht, aber diesen kaum je benutzt hatte. »Ein wenig hat er doch recht – einerlei, was wir Kinder angestellt hatten, Schelte und Schläge hatte immer Diether einzustecken.«
    »Und jetzt erzähl mir nur noch, der hatte seine Dresche nicht verdient.«
    »Mag sein, dass er sie verdient hatte. Es mag aber auch sein, dass er sich irgendwann dachte: Einerlei, was ich tue, der Sündenbock bin ich so oder so. Also kann ich genauso gut etwas ordentlich Schlechtes anstellen, damit sich die Dresche und das Niedermachen wenigstens lohnen. Vielleicht hätte ihm ein einziges Mal jemand sagen sollen: Diether, du hast deine Sache gut und richtig gemacht.«
    Der Großvater musste lachen, und das war in Anbetracht der Umstände mehr wert als Gold. »Das täte ich nur allzu gern, aber der Kerl gibt mir leider keinen Anlass dazu.«
    Magda lachte mit, auch wenn etwas in der Brust ihr dabei brannte. »Wart’s ab. Das kommt noch. Und wenn es so weit ist, vergiss nur nicht, es ihm zu sagen.«
    »Werd’s mir merken, mein Kälbchen. Du und ich, wir halten diese Familie zusammen, was? Auf diese Familie lassen wir nichts kommen, was immer ein jeder von dem Haufen auf dem Kerbholz hat. Und nun sag mir – was wird mit dir und deinem Endres?«
    Magda hielt in der Bewegung inne: »Du weißt es? Endres hat mit dir gesprochen?«
    »Ach wo denn, dazu ist dieser feine Bursche doch viel zu bescheiden. Aber dein Großvater hat Augen im Kopf. Und er sorgt sich um euch. Ich würde den Endres ja liebend gern auf die Wanderschaft schicken, damit eure Sache vorankommt, aber ausgerechnet jetzt? Wie sollen wir mit unserem Sack voller Flöhe denn fertig werden, wenn uns auch noch der Endres fehlt? Und dazu ist das Geld so knapp, wie ich’s im Leben nie kannte, so knapp, dass ich mich schämen muss, weil meine Enkel mit Löchern in den Schuhen gehen.«
    »Wenn das deine größte Sorge ist, dann hast du nichts als kleine!«, rief Magda. »Kann denn Endres nicht hierbleiben, bis Lentz sich ein wenig gefangen und es ein Ende mit diesen Brauverboten hat?
    Der Großvater überlegte. »Das könnte er schon«, bekundete er schließlich. »Aber dann würdest du ein spätes Mädchen, mein Kälbchen. Das wird ja alles noch Jahre dauern, und du bist jetzt schon älter, als deine Mutter war, als sie ihre törichte Wahl getroffen hat.«
    »Ich treffe eine kluge«, erwiderte Magda tapfer. »Und zu warten macht mir nichts aus, solange ich weiß, dass ich Endres’ Frau werden darf.«
    »Recht hast du, du prächtiges Ding.« Er nahm sie bei den Schultern und hielt sie ein Stück von sich weg, um sie sich anzusehen. »Nicht, wann du heiratest, zählt, sondern wen, hab ich recht? Deine Mitgift in der Truhe rührt mir niemand an, davon baut ihr euch, wenn es so weit ist, einen eigenen Hausstand auf. Ihr erwerbt ein Stück Boden, und der Endres lässt sich einen Brustpanzer schmieden, damit ihm das volle Bürgerrecht zusteht. Und mit dem verrückten Wetter muss es ja irgendwann ein Ende haben. So viele schlechte Sommer und eisige Winter hintereinander hat’s in meinen siebzig Jahren nie gegeben, gegeben.«
    »Es hat bestimmt ein Ende.«
    Darauf reichten sie einander die Hand.
    Das Leben war schwer und der Himmel verhangen, aber das Licht der Wintersonne, so fahl es auch sein mochte, brach sich immer wieder Bahn. Magda gab alles, um ihr Versprechen zu halten. Sie lernte endlich kochen, damit der Großvater entlastet war, stand lange vor Morgengrauen auf und sorgte dafür, dass das Haus heimelig wirkte und ein jeder sich umsorgt fühlte. Bei all der Arbeit merkte sie kaum, wie die Zeit verstrich. Eines Morgens aber, als sie in tiefster Dunkelheit am Brunnen Wasser schöpfte, hörte sie eine Feldlerche, die mit ihrem Lied den Tag begrüßte. Das eisige Schweigen des Winters war vorüber.

7
    Der Frühling kam und mit ihm das Ende des Brauverbots. Durch die Kälte und den ewigen Niederschlag war jedoch Nässe durch die hölzernen Wände der Speicher gedrungen, und Fäulnis hatte das Getreide verdorben. Gerupft wie die Kirchenmäuse standen die Harzers da, aber damit waren sie beileibe nicht allein. Ganz Bernau schleppte an der Last der schlechten Ernten und an der unsicheren Lage im Land. Raubritter und Wegelagerer nutzten die fehlende Ordnung für ihre Zwecke aus, bis kaum ein Kaufmann

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