Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Fremder wirken, wie sie sich zuweilen auf Bernaus Jahrmärkte verirrten.
Hinterher deutete Utz eine Verbeugung an, als wäre sie eine Dame und er ein wirklicher Herr. Sie fand, er habe das Zeug zu einem, und das sagte sie ihm: »Wenn du ein Hemd mit gefälteltem Kragen, enge Beinkleider und eine von den neuen Schecken aus Samt hättest, sähest du aus wie ein Herr.«
Utz seufzte und rupfte unwillig an seiner groben, knöchellangen Cotta. »Du weißt nicht, wie sehr ich mir das wünschte. Wer sich nicht anständig kleiden kann, dem sieht man auf ewig an, woher er kommt.«
»Du kommst aus einem guten Haus, Utz. Und du bist eben im Innern ein Herr.«
Sein Lächeln kehrte zurück. »Danke, mein Herz. Was meinst du, wollen wir etwas trinken?«
Mehr und mehr Tanzpaare tummelten sich auf der Fläche, und vor der Bude des Possenreißers drängten sich Schaulustige, die ihre Kinder über die Köpfe hoben. Geschickt schlängelte sich Utz zwischen den Leibern hindurch zu den Ständen, an denen Speisen und Getränke feilgeboten wurden. Der Großvater hatte wie stets gemeinsam mit Nachbarn aus der Braugasse einen Stand aufgebaut und schenkte mit vollmundigen Sprüchen sein frisch gebrautes, untergäriges Starkbier aus. Sein kauziger, böser Witz machte den Leuten Vergnügen. Mit leisem Frohlocken sah Magda, dass vor ihrem Stand mehr Zecher Schlange standen als vor dem weit größeren, den Laienbrüder des Klosters Chorin errichtet hatten.
Ein Stück weit im Hintergrund erkannte sie Pater Honorius, der alles andere als ein Laie, nämlich der Prior der Zisterzienser war. Als solcher hätte er in Weltabgeschiedenheit und Stille leben müssen, doch dazu war er offensichtlich nicht geboren. Sooft sich Gelegenheit bot, brach er aus den stillen Mauern des Konvents aus und begab sich ins quirlige Treiben des Städtchens. Er wusste um jede Einzelheit, die in den Bernauer Gassen vor sich ging, hielt mit seiner Meinung nicht hinterm Berg und war für seinen Jähzorn bekannt. Wenn es um den Peterspfennig und die Verderbtheit der Brandenburger ging, verspritzte er kaum weniger Gift und Galle als Propst Nikolaus.
Zu Magdas Verblüffung führte Utz sie an beiden Bierständen vorbei zu einer Bude am äußersten Rand des Festplatzes. Zwei dunkelhaarige Männer, die Magda nicht kannte, schenkten dort aus hohen Krügen ein Getränk aus.
Utz fischte zwei Becher aus seinem Beutel und ließ sie sich von einem der Dunkelhaarigen vollschenken. Magda sah zu, wie die Flüssigkeit aus der Tülle strömte. Sie schäumte kaum und war golden wie flüssiger Honig. »Beim Herrgott, ist das Wein, Utz? Aber wir können doch keinen Wein trinken, wir müssen doch sparen, was das Zeug hält!«
»Ständig sparen kann kein Mensch«, erwiderte Utz und ließ seinen Becher leicht gegen ihren klirren, sodass von der honigfarbenen Flüssigkeit ein paar Tropfen hinüberschwappten, wie sie es beide vom Bier kannten. »Nun probier schon. Wenn du ihn nicht einmal trinkst, ist das Geld dafür wahrhaftig vergeudet.«
Der Wein war voller Süße, und wenn Magda ihn eine Weile lang im Mund behielt, legte er sich samtig und schwer auf ihre Zunge. »Das ist ja köstlich, Utz! Ich wünschte, ich könnte einen ganzen Krug davon leeren.« Auch in der Mark wurde Wein angebaut, doch er war so sauer, dass man ihm kellenweise Sirup zusetzen musste, um ihn überhaupt hinunterzubekommen.
Utz lachte leise. »Dacht ich’s mir doch, dass du in der Familie den feinsten Geschmack besitzt.« Damit ging er und ließ ihre Becher noch einmal füllen. »Die Weinhändler kommen aus Regensburg«, erzählte er. »Dort ist der Himmel blau, von April an fällt kein Tropfen Regen, und der Wein kann an grünen Hängen in der Sonne baden. Muss es nicht herrlich sein, in einem Land zu leben, das sonnig, fruchtbar und voll Fülle ist wie dieser Wein?«
Magda überlegte. Sie trank noch einen Schluck und glaubte zu schmecken, was Utz meinte: Die Wärme in ihrem Mund ließ sie vergessen, dass graue Wolken aufzogen und sie eben noch in ihrem dünnen Kleid gefröstelt hatte. Sie glaubte, die in Sonne getauchten Hügel vor sich zu sehen, den reichen, leicht pflügbaren Boden und das strahlende Blau des Himmels, das es hier nur an kostbaren, seltenen Sommertagen gab.
Ja, vielleicht wäre es schön, in der Nacht nicht zu frieren und am Morgen von der Sonne geweckt zu werden, sich in Bächen zu waschen, in denen die Glieder nicht blau froren, und auf grünen Hügeln Trauben zu pflücken, dass einem der
Weitere Kostenlose Bücher