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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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will den?«, rief Magda. »Der pfeift jedem Weiberrock hinterher, und sein Atem stinkt nach Fisch.«
    »Er kann tanzen. Und er erbt eine Brauerei.«
    »Endres«, sagte sie, »willst du mich zur Frau oder willst du hin und her reden, bis wir hier beide mit dem Hintern festfrieren? Wenn du das willst, dann sag’s mir, denn dann gehe ich heim zu Großvaters verbranntem Kraut und meinem warmen Bett. Andernfalls sei ein Mann und fass dir ein Herz. Schwör mir, dass du mir auf der Wanderschaft die Treue hältst, und dann sprich mit dem Großvater. Der wird dir deinen Kopf schon nicht vom Hals reißen.«
    Sie zwang ihn, ihrem Blick standzuhalten. Erst rutschte er noch auf seinem Stein hin und her, doch als sie ihr Gesicht dem seinen näherte, wich er nicht zurück. Dieses Mal währte ihr Kuss ein wenig länger, und er schmeckte, fand Magda, noch süßer als Barbaras Früchtebrot.

3
    Im Frühjahr wurde das Brauverbot aufgehoben, doch es gab kaum Getreide zu kaufen. Für das wenige, das an Weizen und Gerste angeboten wurde, verlangten die Händler Wucherpreise, die die Brauer nicht bezahlen konnten. Wie es Utz gelang, dennoch Korn zum Mälzen aufzutreiben, blieb ein Rätsel und ein kleines Wunder. Sie besaßen kein Fuhrwerk mehr, aber Utz fand Wege, sich eine halbblinde Mähre zu leihen. Die spannte er vor seinen Karren und fuhr die Panke hinauf bis zu deren Mündung in die Spree. Dort lag die geheimnisvolle Doppelstadt, über die die Frauen auf dem Markt munkelten, sie werde bald Bernau und alle anderen Städte in Brandenburg überflügeln.
    »Wer eine Zukunft haben will, der geht nach Cölln-Berlin«, hatte auch Utz schon mehr als einmal bekundet.
    »Und warum? Was ist an diesem Cölln-Berlin denn so besonders?«, hatte Magda gefragt, die sich eine schönere Stadt als Bernau nicht vorstellen konnte. Albrecht, der Bär, der erste Markgraf von Brandenburg, hatte sich sein Bernau erträumt, weil ihm gerade hier, in einer Schänke im finstersten Kiefernwald, das beste Bier seines Lebens eingeschenkt worden war. Was konnte irgendein Cölln-Berlin schon gegen den Traum eines Markgrafen aufzubieten haben? »An Cölln-Berlin hat nie ein Mensch geglaubt«, erklärte Utz mit jähem Leuchten in den Augen. »Zwei bedeutungslose Nester, in den Sand irgendwelcher Inseln in der Spree gepflanzt – so wurden die beiden jahrzehntelang abgetan. Jetzt aber stecken die Spreestädte ihre Köpfe aus dem Uferschlamm wie der Phoenix aus der Asche, und den Verächtern bleiben die Münder offen stehen. Cölln-Berlin liegt nämlich als Verkehrsknotenpunkt genau zwischen Ostsee und Erzgebirge, und das macht es zu einem Handelsstandort erster Güte.«
    »Besser als unser Bernau?«
    »Viel besser als Bernau, das einmal kein Mensch mehr kennen wird«, erwiderte Utz. »Aber das ist noch nicht alles. Darüber hinaus ist Cölln-Berlin genau an der Stelle gebaut, an der die Fernhandelsstraße die Spree durchquert. Das verschafft ihr das Stapelrecht, das in unseren Zeiten pures Gold wert ist.«
    »Und was soll das sein, das Stapelrecht?«
    »Das Recht, durchziehende Fernhändler mehrere Tage lang aufzuhalten«, erklärte Utz bereitwillig weiter. Er verlor nie die Geduld mit ihren Fragen wie die anderen, fuhr ihr nie über den Mund und behauptete auch nie, ein Mädchen brauche von alledem nichts zu wissen. Vielmehr schien er sich zu freuen, dass zumindest ein Mitglied der Familie für seine Kenntnisse Interesse zeigte. »Während dieser Tage sind die Händler verpflichtet, ihre Waren in Berlin anzubieten, und der Umsatz, der aus den Verkäufen erzielt wird, kommt der Stadt zugute«, erläuterte er weiter. »Die Doppelstadt auf den Spreeinseln hat damit einen unschätzbaren Vorteil. Glaub mir, sie wird schneller wachsen als das Gras im Mai und zu einer Größe gelangen, wie wir sie uns hier in unserem Hinterwald nicht einmal träumen lassen.«
    »Bist du denn hier nicht glücklich, Utz?«, fragte Magda.
    Der Bruder schnaubte, dann ballte er die Fäuste und hatte sich sogleich wieder in der Gewalt. »Glücklich, was heißt das schon, mein Herz?«, fragte er. »Natürlich bin ich glücklich, wenn wir beisammen sind und es keinem von uns an etwas fehlt. Hier aber, als kleiner Brauer aus Bernau, bleibt mein Glück doch ewig abhängig vom Willen anderer – ob von dem einer Krone, die mir mein Handwerk verbietet, oder von dem einer Kirche, die mir den letzten Tropfen Blut aussaugt.«
    »Aber in deinem Berlin herrschen König und Papst doch genauso!«, rief Magda.

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