Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
anzustoßen?«
Ehe Magda es tun konnte, hob Lentz mit einem Lächeln seinen Becher und stieß ihn kräftig gegen den seines Bruders. »Es möge nützen, Diether!«
»Dir auch, alter Lentz!«
Etwas fiel von ihnen ab. Nacheinander folgten Magda, Utz und der Großvater, stießen an und tranken vom Versöhnungsbier. Das Kraut schmeckte, das grobe Brot schmeckte noch besser, und das Geld würde schon reichen, bis wieder Markt war. Wir haben uns, sprach sich Magda in Gedanken vor. Wir haben uns, und das bleibt auch so, der Traum hat keine Macht, uns das zu rauben.
»Bitte bleib noch sitzen«, sagte Lentz, als Magda aufstehen wollte, um die Schüsseln abzuräumen. »Ich habe euch etwas zu sagen, und ich hätte gern, dass dabei alle beisammen sind.«
Er würde ihnen sagen, dass die endlose Zeit seiner Trauer vorüber war. Dass er in die Familie zurückkehren wollte, mit seiner Besonnenheit, seiner Klugheit, seinem ausgleichenden Wesen, das ihnen schmerzlich gefehlt hatte.
»Sag bloß, du willst wieder heiraten?«, riet Diether und klatschte dem Bruder auf die Schulter.
»Nein«, antwortete Lentz. »Nicht jetzt und zu keiner anderen Zeit. Ich war mit Alheyt verheiratet. Das war ein Glück, für das ich dankbar bin, und es war für mein Leben genug.« Seine Stimme war freundlich und voll Ruhe. Magda liebte sie.
»Ich wollte damit warten, bis die Familie sich ein wenig gefestigt hat«, fuhr Lentz fort. »Ich denke, dank Magda ist es jetzt so weit. Ihr kommt zurecht. Auf die eine oder andere Art werdet ihr immer zurechtkommen. Ich bin nur ein zusätzlicher Esser, den ihr durchfüttert, ohne dass er euch von Nutzen ist. Und ich gehöre hier nicht länger her. Ich werde morgen früh im Grauen Kloster um meine Aufnahme in den Orden der Minderen Brüder nachsuchen.«
Die Nachricht traf sie wie ein Blitz, der in ein reetgedecktes Dach einschlug und Feuer in ein Haus trug, in dem noch eben argloser Frieden geherrscht hatte. Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, ehe überhaupt jemand sprach, und dann war es Diether, der aufsprang und herausschrie, was sie alle dachten: »Haben sie dir den Verstand verbraten? Das darfst du nicht, Lentz! Du zu den Pfaffen – willst du deine Familie verraten, willst du dich mit denen gemeinmachen, die für das ganze Elend ringsum verantwortlich sind?«
»Ich will mich mit niemandem gemeinmachen«, entgegnete Lentz ruhig. »Nur mit Gott.«
Diether vollführte einen Satz und stieß den Bierkrug um, sodass die Neige sich Lentz in den Schoß ergoss. Der blieb unbewegt sitzen und ließ es geschehen. »Weißt du, wie die Flüchtlinge leben, weil der Papst ihr Land mit Krieg überzieht?«, rief Diether. »Weißt du, was für Gräuel sie hinter sich haben, und weißt du, dass der Papst mit demselben Krieg auch uns bedroht? Weißt du, dass wir Berliner mit unserem freien Geist und unserem frechen Willen ihm ein Dorn im Auge sind? In der Marienkirche werden nicht länger Predigten, sondern Hetzreden gehalten – gegen die Freiheit unserer Stadt, gegen unsere Rechte als Städter!«
Magda hatte nicht angenommen, dass Diether überhaupt wusste, wo die Marienkirche stand. Seit wann beschäftigte er sich mit solchen Fragen, und seit wann sagte er wir Berliner und schloss sich selbst darin ein?
»Mir ist jede Art von Krieg zuwider«, sagte Lentz. »Ich wünsche mir nichts als Frieden und Nähe zu Gott.«
»Und die findest du bei den Kuttenträgern, die uns die sauer verdienten Pfennige aus dem Beutel ziehen?«, bellte der Großvater. »Die uns die Preise zerstören und uns mit der Hölle drohen, wenn wir von dem Geld, für das wir schuften, zumindest anständig leben wollen?«
»Franziskaner leben in Armut, Großvater. Nicht nur jeder einzelne Bruder – auch der Orden selbst darf keinerlei Besitz sein Eigen nennen.«
»Papperlapapp! Das sagen sie alle, diese Heuchler, die Wasser predigen und Wein aus Schläuchen saufen.« Er wiederholte das letzte Wort nicht, denn an diesem Abend würde er seine Reden nicht so schnell beenden.
»Es tut mir leid, dass ich euch meinen Entschluss nicht verständlich machen kann«, sagte Lentz und stand so gemächlich, wie sie es von ihm kannten, auf. »Fest steht er dennoch. Ich habe ihn gefällt, noch ehe wir Bernau verlassen haben, und wäre unsere Ankunft hier ein wenig glatter verlaufen, hätte ich ihn schon vor Wochen ausgeführt.«
»Du läufst zur anderen Seite über.« Diether stellte sich ihm in den Weg. »Zur Seite der Feinde!«
»Ich habe keine Feinde«,
Weitere Kostenlose Bücher