Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
sie am Ende ihrer Kraft zu sein, nur musste sie diesmal wenigstens nicht weinen.
»Warum tut Ihr Euch das eigentlich an?«, fragte er. »Nicht schlafen, nicht essen, alles, was Ihr habt, verausgaben?«
»Ha – das fragt der Richtige«, warf der blutjunge Mönch ein. »Bei dir fragen wir uns alle, wie lange du dich mit den ewigen Nachtwachen und einer Kelle Wassersuppe noch auf den Füßen hältst.«
Ohne sie loszulassen, wandte der Postulant sich um. »Ich kümmere mich um die Dame, Bruder Basilius«, sagte er.
»Die ist doch keine Dame! Sie will den Bewerber umstimmen, der in der Frühe gekommen ist. Es sei ihr Bruder, sagt sie, aber sie ist ja nicht die Erste, die so was erzählt.«
»Ehe Ihr weiter die Schwester eines künftigen Mitbruders beleidigt, kehrt besser an Eure Pflichten zurück«, erwiderte der Postulant.
»Was gibt dir denn das Recht, mir Befehle zu erteilen?«, blaffte der Mönch zurück. »Hüte deine Zunge, Thomas. Zwar magst du in unserer Gemeinschaft leben, aber ein Teil des Klosters bist du noch lange nicht. Und wenn du nicht lernst, deinen Hochmut zu mäßigen, wirst du es auch nicht werden.«
»Ich bitte demütigst um Vergebung«, erwiderte der Postulant. Magda glaubte, förmlich zu hören, wie er den Mundwinkel spöttisch verzog. »Ich hatte nicht vor, Euch zu befehlen, eher, Euch Arbeit abzunehmen.«
»Und das soll ich dir glauben?«
»Ich möchte demütigst darum bitten.«
Der junge Mönch seufzte. »Du musst wissen, was du tust, Thomas. Aber bei der Geschichte, die sie sich über dich erzählen, würd ich von der da die Finger lassen.«
Magda spürte, wie der Leib, an dem sie lehnte, sich verhärtete, wie jeder Muskel, jede Sehne sich spannte, wie über die Linie von Armen und Schultern ein Beben rann. Es musste den Mann das Äußerste an Selbstbeherrschung kosten, dem anderen keine passende Antwort zu erteilen. Der trollte sich schließlich. Magda blickte auf und dem Fremden in die Augen. Was er zu ihr gesagt hatte, hallte ihr im Ohr: Aber ja doch. Ich helfe Euch.
»Ich muss meinen Bruder sprechen«, sagte sie. »Um jeden Preis. Er gehört nicht hierher, er muss mit mir nach Hause kommen.«
»Wenn jetzt der Guardian mit ihm spricht, kann ich ihn nicht unterbrechen. Wartet bis heute Abend. Falls Euer Bruder hier wirklich nicht hergehört, wird er zu Euch nach Hause kommen.«
»Ich kann nicht warten! Und er weiß doch nicht, wo er hingehört. Ich muss jetzt mit ihm sprechen. Sofort.«
»Das ist unmöglich.«
»Ich habe es satt, dass mir alle Welt erzählt, was unmöglich ist!«, schrie sie ihn an. »Lentz ist mein Bruder, und warum soll es unmöglich sein, dass ein Bruder mit seiner Schwester spricht?«
Rasch hob der Fremde ihr den Finger vor die Lippen, wiederum so dicht, dass er sie fast berührte. »Also schön.« Er seufzte. »Ich werde sehen, ob sich etwas machen lässt. Bitte tut mir den Gefallen und verhaltet Euch solange halbwegs ruhig.«
Als er sie losließ und ging, bemerkte sie, wie kalt es zwischen den steinernen Wänden war. Die Zeit schien sich endlos zu dehnen, bis die Tür sich öffnete und er von Neuem unter der Zarge hindurchtauchte. »Es tut mir leid«, sagte er.
Magda hatte gelernt, diesen Satz zu hassen. »Wo ist Lentz?«
»Wollt Ihr die Wahrheit? Oder etwas Erträgliches?«
»Die Wahrheit«, bellte Magda ungeduldig.
»Sein Gespräch mit dem Guardian ist beendet«, sagte er. »Er lässt Euch grüßen. Aber er möchte nicht mit Euch sprechen.«
»Wo ist er?«, schrie Magda und rannte in Richtung Tür.
Der Fremde versperrte ihr den Weg. »Ihr könnt jetzt nicht zu ihm. Beim besten Willen nicht.«
»Geht beiseite! Ich kann, was ich will!« Als er die Tür nicht freigab, war es um Magdas Beherrschung geschehen. Lentz weigerte sich, ihr Rede und Antwort zu stehen, und dieser anmaßende Kerl mischte sich ein und stellte sich ihr in den Weg! Wie von Sinnen drosch sie mit den Fäusten auf seine Brust ein, trat nach seinen Schienbeinen, hieb ihm die Stirn mit einer Wucht an die Schulter, dass sie flüchtig nichts als Funken in der Schwärze sah. Kaum hatte sie sich gefasst, holte sie mit geballter Faust zum nächsten Hieb aus und traf seinen Mund. Als sie von Neuem die Faust hob, umfing er hart ihr Gelenk. Magda schrie vor Zorn und biss ihm in die Hand.
Wie ein toller Hund hing sie an seinem Daumenballen und grub die Zähne tiefer, je heftiger er versuchte, sie abzuschütteln. Schließlich umspannte er mit der Linken ihre Kiefer und drückte sie
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