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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Spiegel um den Hals?«
    Sie packte sein Haar, das endlich lang genug war, um daran zu rupfen. »Du nicht, hörst du? Und du brauchst auch nicht heilig zu sein.«
    Er seufzte auf, und die selige Leichtigkeit verflog. »Jetzt lass uns ein Ende finden«, sagte er und befreite sich.
    »Und warum?«
    »Wir müssen gehen, Magda. Und wenn wir nur für einen Pfennig Verstand besitzen, kommen wir nicht noch einmal her.«
    Allzu oft geschah es auf diese Weise. Sie sprach ein falsches Wort aus oder stellte eine Frage, die an den verbotenen Bereich rührte, und auf einen Schlag verschloss er sich wie ein Portal mit eisernen Türen. Noch härter traf sie, dass sie nicht einmal ahnte, was der verbotene Bereich umfasste und warum verboten war, was hinter seinen Grenzen lag.
    Ein Gespräch konnte vollkommen harmlos beginnen und stieß doch mitten im Geplänkel an jene Mauer, die unüberwindlich blieb. So hatte sie ihn beispielsweise einmal gefragt: »Du hast all die Jahre mit Lernen verbracht – warst du denn gern Student?«
    Er hatte bereitwillig Antwort gegeben: »Ja, ziemlich gern.«
    »Bist du auch gern gereist?«
    »Ja, das bin ich. Ohne Frage.«
    »Warum bist du dann überhaupt zurückgekommen, wolltest du nicht lieber als Gelehrter in der Fremde leben und kluge Bücher schreiben, die alle Welt liest?«
    Er lachte. »Wohl nicht. So ein Buch, ob klug oder nicht, braucht Geduld, und mit der bin ich nicht gesegnet. Zudem, fürchte ich, hatte ich Heimweh nach Brandenburg.«
    »Obwohl es hier ständig regnet?«
    »Obwohl es hier ständig regnet, obwohl die Häuser auf Sand gebaut sind und das Vieh im Sumpf versinkt, obwohl die Leute sich öfter beleidigen als waschen, und obwohl der Wein so sauer wie Gallustinte schmeckt.«
    Seine Antwort gefiel ihr, auch wenn sie nicht wusste, wie Gallustinte schmeckte. »Aber in Brandenburg gibt es keine Universitäten – was kann ein Studierter wie du bei uns denn anfangen?«
    »Nach Berlin gehen. Eine Stellung in einer städtischen Amtsstube antreten und darauf hoffen, zum Syndikus aufzusteigen.« Er hielt inne, und von einem Herzschlag zum anderen verhärteten sich seine Züge. »Den Kindern reicher Leute ein wenig Unterricht erteilen, ehe sie sich vor Langeweile die Augen ausstechen«, fügte er beißend hinzu.
    »Hast du das getan?«
    »Wir sollten jetzt gehen«, hatte er statt einer Antwort gesagt und sich aus ihren Armen gewunden, um aufzustehen. So verzweifelt sie auch auf ihn einredete, ihn beschwor, ihr zu erklären, was sie falsch gemacht habe, sie erreichte ihn nicht. Er verschloss sich, ließ sie mit ihren Fragen allein und war erst Tage später wieder für sie zu sprechen. Ohnehin versprach er ihr nie ein Treffen für einen bestimmten Tag und Ort. Stattdessen strich er, wenn es ihm passte, auf dem Markt herum, wo sie ihr Bier verkaufte, und sobald sie ihn sah, nahm sie sich für ihn Zeit. Brida, die Bäuerin, die ein Stück weiter Käse und Würste verkaufte, war stets bereit, für ein, zwei Stunden ein Auge auf Magdas Scharren zu haben, und Magda erwiderte den Gefallen, wenn eins von Bridas sechs Kindern sie von der Arbeit abhielt.
    Magda erzählte ihr, sie müsse nach ihrem Bruder sehen, und Brida fragte nicht nach. Dass Magdas jüngster Bruder ein Sorgenkind war, dem man auf die Finger schauen musste, hatte sich in der verflochtenen Gemeinschaft des Nikolaiviertels längst herumgesprochen, und die Bäuerin hatte Mitleid mit ihr. Mit Thomas verständigte sie sich durch Zeichen und Blicke, und mit der Zeit wurden sie regelrecht gewieft darin. Getrennt verließen sie den Markt und trafen erst wieder zusammen, wenn die Stadtmauer hinter ihnen lag.
    Die Heimlichkeit war Magda verhasst. Sie kam sich vor wie eine Diebin und begriff nicht, warum nicht alle Welt wissen durfte, dass ihnen die Liebe in den Schoß gefallen war. »Du hast doch kein Gelübde geleistet. Warum gehst du nicht hin und erklärst deinen Klosteroberen, dass du dich getäuscht hast und wieder ein freier Mann sein willst?«
    Aber auch diese Frage gehörte zu den verbotenen, es war sogar die schlimmste von allen. »Ich war kein freier Mann.« Alle Zärtlichkeit, alle Belustigung verschwand aus der schönen Stimme, so oft er ihr diese Antwort gab. »Und ich kann auch keiner mehr werden. Ich habe dir kein Leben zu bieten. Treib dich mit einem wie mir nicht herum und vergiss mich.«
    Jetzt würde es wieder so kommen. Eine schwarze Wolke würde sich über dem Licht ihres Himmels ballen, sie würden in die Stadt

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