Das Mädchen aus dem All
saß. Er schien in Gedanken auf dem fernen ruhigen Heimatplaneten zu sein.
»Haben Sie an solchen Wettkämpfen teilgenommen, Eon?«
Der Biologe sah sie einen Augenblick verständnislos an.
»An diesen? Nein, kein einziges Mal. Entschuldigen Sie, ich war ganz in Gedanken und habe Sie nicht gleich verstanden.«
»Haben Sie denn nicht an unsere Erde gedacht?« Das Mädchen zeigte auf den Bildschirm. »Sie ist doch wieder einzigartig schön nach der Finsternis und dem Sturm, nach diesen elektrischen schwarzen Medusen, nicht wahr?«
»Ja natürlich. Und deswegen möchte ich zu gern solch eine Meduse fangen. Ich habe mir gerade darüber den Kopf zerbrochen, wie man das am besten fertigbringt.«
Nisa Krit wandte sich von dem lachenden Biologen ab und sah in das lächelnde Gesicht Erg Noors. »Haben Sie sich ebenfalls Gedanken darüber gemacht, wie man eines dieser schwarzen Ungeheuer fangen könnte?« fragte sie spöttisch.
»Das nicht, aber über die Untersuchung des Tellerschiffes.«
Das schalkhafte Blitzen in den Augen des Expeditionsleiters ärgerte Nisa ein wenig.
»Jetzt verstehe ich, warum die Männer in früheren Zeiten Krieg führten. Und ich habe immer gedacht, das sei nur eine Prahlerei des männlichen Geschlechts gewesen, das sich stark fühlte in einer unorganisierten Gesellschaft.«
»Ich kann Ihnen nicht ganz recht geben, obschon Sie ein wenig von unserer Psyche in der Vergangenheit erkannt haben. Aber mir geht es nun einmal so: Je schöner und liebenswerter ich meinen Planeten finde, desto mehr möchte ich ihm dienen. Ich möchte Gärten anlegen, Metalle, Energie und Nahrung gewinnen, komponieren; ich möchte etwas leisten und hinterlassen, was ich mit meinen Händen, mit meinem Kopf geschaffen habe. Ich kenne nur den Kosmos, beherrsche nur die Astronautik — damit allein kann ich der Menschheit dienen. Denn das Ziel ist schließlich nicht der Flug selbst, sondern neue Kenntnisse zu gewinnen, fremde Welten zu entdecken, die wir zu ebenso schönen Planeten wie unsere Erde machen. Und Sie, Nisa, was erstreben Sie? Warum reizt auch Sie das Geheimnis des Tellerschiffes? Ist es ausschließlich Neugier?«
In einer jähen Aufwallung überwand das Mädchen die bleierne Müdigkeit und streckte ihre Arme Erg Noor entgegen. Er streichelte sie mit seinen großen Händen. Nisas Wangen röteten sich. Wie seinerzeit vor der gefährlichen Landung schmiegte sie ihre Wange in Erg Noors Hand und verzieh mit dieser Geste gleichzeitig dem Biologen seinen scheinbaren Verrat an der Erde. Um ihre Übereinstimmung mit beiden zu bekräftigen, erzählte sie ihnen ihre Idee. Man solle in einen leeren Wassertank mit ferngesteuertem Deckel ein Gefäß mit frischem Blut (keine medizinische Blutkonserve) als Köder hineinstellen. Das Blut müsse eines der Expeditionsmitglieder spenden. Wenn das schwarze Etwas hineingekrochen und der Deckel zugeklappt sei, müsse in den Tank durch vorher angebrachte Hähne irdisches Gas gepumpt werden, das nur schwer chemische Verbindungen eingeht, und der Deckelrand müsse sicher abgedichtet werden.
Eon war von der Erfindungsgabe des Mädchens begeistert.
Erg Noor konstruierte einen menschenähnlichen Roboter und stellte einen starken elektrohydraulischen Schneidbrenner her, mit dessen Hilfe er in das Innere des unbekannten Tellerschiffes einzudringen hoffte.
In der bereits zur Gewohnheit gewordenen Finsternis flauten die Stürme wieder ab, der Frost wurde von Wärme abgelöst — der neuntägige »Tag« brach an. Das Umladen der Ionenladungen, einiger Vorräte und wertvoller Instrumente nahm noch vier Erdentage in Anspruch. Erg Noor ließ noch verschiedene persönliche Dinge der umgekommenen Schiffsbesatzung in die »Tantra« bringen, um sie nach sorgfältiger Desinfektion den Angehörigen auf der Erde zu übergeben. Da sich die Menschen in der Ära des Großen Rings nicht mit Gepäck belasteten, bereitete die Umladung keine Schwierigkeiten.
Am fünften Tage wurde der Hochspannungsstrom abgeschaltet, und der Biologe schloß sich zusammen mit zwei Freiwilligen — Keh Ber und Ingrid — im Beobachtungsturm an der »Parus« ein. Die schwarzen Wesen tauchten alsbald wieder auf. Der Biologe saß am Infrarotschirm, von dort konnte er die mörderischen riesigen Medusen beobachten. Jetzt kroch eine von ihnen zum Fangbehälter. Sie zog die Fühler ein, rollte sich zu einem Klumpen zusammen und zwängte sich hinein. Plötzlich erschien eine zweite am Rand des Tanks. Die erste streckte die Fühler
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