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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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stehlen gedachte. Und zumindest ansatzweise hatte er mir das ja auch am Morgen schon erklärt.
    Hier ist auch schon die Kombüse …
    Hallo? Tut mir leid, ich wollte nicht stören. Wenn du deine Beinkleider wieder angelegt hast und die Magd dich für einen M oment entbehren kann: Hättest du dann vielleicht eine Sch üssel Suppe und einen Kanten Brot für meinen Freund hier? Danke. Wir warten auf dem Hauptdeck.
    Komm mit mir, Froh. Hier hinauf und da durch …
    Schau dir dieses Farbenspiel an. Ist es nicht wunderschön? In deinem winzigen Boot und in halb totem Zustand hatte ich überhaupt kein Auge mehr für die Schönheit des Meeres. Aber jetzt, da wir bald auf Cypria sind und ich dir all meine Freunde vorstellen werde …
    Ich freue mich so sehr, Froh, und allmählich beginne ich das Meer wieder zu lieben, wie ich es zeitlebens geliebt habe, obwohl ich so eine miserable Schwimmerin bin und obwohl es zuletzt so grausam zu mir war. Aber jetzt bin ich sicher, dass es mir schlimmer erschien, als es in Wirklichkeit war. Bestimmt war es nur eine einzige, ungezogene Welle, die ausgerechnet mich und eine Handvoll andere Menschen vom Land gespült hat und mir viel größer und gefährlicher vorgekommen ist, als sie tatsächlich war. Vor lauter Gequassel habe ich ganz vergessen, Barrum zu fragen, wo genau wir sind und wie schlimm es die Küsten erwischt hat – oder eben nicht. Ich meine, wenn die Katastrophe einen solchen Umfang gehabt hat, wie ich geglaubt habe, dann hätte Barrum mir doch davon erzählt, oder? Bestimmt habe ich mich nur in etwas hineingesteigert, und meine mangelnden Kenntnisse in der Sternenkunde haben mir dann sozusagen den Rest gegeben. Ich stand ja völlig unter Schock, als du mich aus dem Wasser gefischt hast …
    Weißt du was? Wir warten jetzt nur auf deine Suppe, und sobald du etwas gegessen hast, gehen wir zu Barrum und fragen ihn danach. Ich weiß gar nicht, wie ich es versäumen konnte, den Kapitän zuallererst nach dem Ausmaß der Welle und der Zerstörung zu fragen. Peinlich, oder?
    Ja. Soll ich es dir erklären?
    Wie bitte?
    Soll ich dir sagen, warum du ihn nicht gefragt hast?
    Ich bin gespannt.
    Seit ich dich gefunden habe, versteckst du dich in einem Kokon aus Wörtern.
    Ich muss nicht alles verstehen, was du sagst, oder? Aber bestimmt war es etwas Weises …
    Komm, setz dich. Ich will meine Geschichte beenden, ehe wir erreichen, worauf auch immer Barrum Kurs genommen hat. Nein – nicht auf die Kugelschleuder. Sieh nur, wie böse der Krieger dort drüben schon schaut. Mit den Männern meines Vaters ist nicht zu spaßen, das hatte ich, glaube ich, schon einmal erwähnt.
    Die Hafenstadt an der Ostküste Lijms heißt Norgal, und am späten Nachmittag unseres voraussichtlich letzten Tages auf der Insel zeichnete sie sich gerade als grauer Streifen am Horizont ab, als es zu schneien begann. Ich hatte ja schon gesagt, dass der letzte Winter der frühste und kälteste war, den ich je erlebt habe, und dass ich an diesem Tag meine ersten unangenehmen Erfahrungen mit Frost gemacht habe. Niemand von uns besaß die richtige Kleidung für eine solch extreme Witterung; nicht einmal Kratt und die Zwillinge, die inzwischen in die gestohlenen Mäntel, Rüstungen und Stiefel der drei Krieger geschlüpft waren, die sie in einen Hinterhalt gelockt und in einer steilen Grube versenkt hatten.
    Glotz nicht so erschrocken! Sie haben sie nicht getötet. Sie haben nur dafür gesorgt, dass sie eine Weile damit beschäftigt sein würden, sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien, um Zeit zum Verschwinden zu gewinnen.
    Von uns allen trug ich natürlich wieder einmal das schwerste Los. Nun galt es zwar nicht mehr allzu viel zu schleppen, da wir keine weitere Nacht auf Lijm zu verbringen gedachten, und es gab auch für jeden ein muffiges Fell und für mich sogar einen warmen Mantel, den Cocha mir irgendwo geklaut hatte. Aber im Gegensatz zu den anderen hatte ich die ganze Strecke bislang barfuß zurückgelegt. Die Stiefel, die ich am Morgen ebenfalls von Cocha bekommen hatte, machten auch nicht mehr viel her. Meine Fersen und Zehen waren längst so lädiert, dass ich ebenso gut auf Nagelbrettern hätte gehen können. Der Schmerz war nicht mehr steigerungsfähig, und die Kälte hatte sich längst bis in mein Knochenmark genagt.
    Dann begann es also auch noch zu schneien, und zu der Kälte gesellte sich noch kältere Nässe, die meine Haut überall da, wo sie ungeschützt war, zuerst rot, dann blau und letztlich

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