Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
Vom Netzwerk:
denen der der Krieger nach dem Zwischenlager für die Handelsgüter der größte war, und dazwischen lagen zahlreiche kleine Boote im schlammigen Wasser.
    Natürlich hatte ich von den Sümpfen Montanias gewusst, und auch Häuser auf Stelzen hatte ich schon gesehen. Auch an unseren eigenen Küsten gibt es ein paar davon. Aber selbst diese bescheidenen Fischersiedlungen waren geradezu pompös gegen die schäbigen, windschiefen, fensterlosen und trotzdem undichten Behausungen und Nutzgebäude, die an diesem sogenannten Südhafen Montanias in den Himmel ragten.
    »In Kantorram an den Quellen gibt es einen richtigen Hafen«, erklärte Cocha, dem meine irritierten Blicke aufgefallen waren, leise. »Über diesen hier wird nur der Pelz- und Fellhandel abgewickelt, der nicht viel hermacht. Normalerweise legen nur kleinere Schiffe hier an.«
    Die Händler kehrten auf ihr Mani zurück, und kaum dass sie uns den Rücken zugewandt hatten, überschüttete der wortführende Krieger uns mit einer Unmenge von Fragen, die er zudem mit gezücktem Kurzschwert äußerte. Auch die anderen Männer hielten präventiv ihre Waffen auf uns gerichtet, aber es machte mir schon beinahe nichts mehr aus, mit einer Klinge bedroht zu werden, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, zu frieren, zu hungern und zu stinken wie ein Wiesel. Und auch Kratt zeigte sich gänzlich unbeeindruckt und hielt sich nicht mit langwierigen Erklärungen auf, sondern bot den Kriegern unsere Rüstungen und den Kugelpuffer für den Fall an, dass sie uns zu der Motte schifften, auf der Gormos Burg thronte. Wie durch ein Wunder hatte der Kugelpuffer den Angriff auf unser Mani (und nicht zuletzt auf Anna, die ihn gehalten hatte) völlig unbeschadet überstanden, und als Kratt ihn unter seinem Mantel hervorzog und auf den Krieger richtete, der mit ihm gesprochen hatte, schnitt dieser eine Grimasse und nahm sein Angebot stellvertretend für alle an.
    Zwei der Männer geleiteten uns einen der schmalen, gefährlich glatten Stege entlang. Ihre Schwerter, Messer und Armbrüste ließen sie auf Kratts Bitte hin im Kriegerhaus zurück. Sie pfiffen zwei dürre Gestalten aus einem Pfahlbau, die uns auf zwei kleine Boote verteilten, und so legten wir dann die vorletzte Etappe unserer Reise zurück. Du kannst dir vielleicht vorstellen, dass es keine erquickliche Angelegenheit war. Die Boote waren maßlos überladen und lagen viel zu tief im Wasser, das darum ständig in den Innenraum schwappte und zu unseren Füßen zu einer stetig anwachsenden Pfütze gefror. Und die Sümpfe Montanias waren …
    Gespenstisch. Ich glaube, das trifft es am besten, obwohl ich natürlich nicht an Geister oder dergleichen glaube. Aber diese Gegend und auch die wenigen Menschen, die wir dort erspähten, waren wirklich unheimlich. Wenn man Montania auf einer Karte betrachtet, sieht man die Sümpfe im Süden nur als winzigen, grünen Fleck. Der absolute Großteil des Landes ist eine trostlose, unfruchtbare Felswüste. Aber als ich selbst dort war, kam mir das Moor schier endlos vor, dazu befremdlich und unheimlich.
    Ich hatte mich ja gerade erst wochenlang durch die Wildnis Lijms geschlagen, und auch die Wälder auf unseren Inseln sind dicht und schattig und voller eigenwilliger Geräusche und Gerüche, die man aber schnell zuzuordnen lernt, sodass sie einen nicht mehr beängstigen. Der montanische Sumpf jedoch wäre zu Fuß überhaupt nicht zu bewältigen gewesen.
    Wir ließen das moderige Stegspinnennetz, das als Hafen herhielt, rasch hinter uns zurück und ruderten einen Bachlauf entlang, der so schmal war, dass sich die Paddel immer wieder in den Wurzeln und Ranken an den Ufern verfingen. Zu beiden Seiten hin bildeten wuchtige Hölzer, Dornengestrüpp, Farne, Ranken und zahllose Pflanzen, die mir völlig fremd waren, scheinbar massive, tiefgefrorene Wälle, die so weit in den Himmel hinaufreichten, dass das Tageslicht zunächst nur noch fleckchenweise und schließlich überhaupt nicht mehr in unsere Boote fiel. Auch hier hatte es geschneit, aber die Flocken hatten es nur an wenigen Stellen und in geringen Mengen durch das dichte Laubdach geschafft. Selbst der Wind fand kaum eine durchlässige Stelle, und das stetige Rascheln, das ich aus unseren Wäldern gewohnt war, fehlte. Dafür knirschte und knackte es ständig irgendwo im gefrorenen Gestrüpp, und ich fuhr jedes Mal erschrocken zusammen. Montania hatte ich mir völlig anders vorgestellt. Karg und unfruchtbar war das hier auf jeden Fall nicht, und

Weitere Kostenlose Bücher