Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
Vom Netzwerk:
Holzponys gespielt und zu wenig zugehört. Stattdessen betrachtete ich mich als Schlichterin und Mittlerin. Wenn es irgendwie möglich war, dann wollte ich zwischen Gormo, den Paradieslosen, meinem Vater, den übrigen Faronen Cyprias und natürlich dem einfachen Volk vermitteln. Ich dachte, dass es eine Lösung geben musste, die sie alle zufriedenstellte. Gormo sollte bekommen, was seine Ware wert war, das heimliche Morden an den Alten und Kranken sollte enden, die Körperkundigen sollten den Menschen die Wahrheit über ihr Können und vor allem Nicht-Können erzählen, die Ausbeutung der ahnungslosen Primitiven in der ganzen Welt sollte durch fairen Handel ersetzt werden (allein schon wegen Cocha, der sich gar nicht genug über dieses Thema auslassen konnte, seit ich ihn damals hinterrücks für die Exkursion zu den Kerichellen angemeldet hatte), und …
    Ach, es gab so viele politische und gesellschaftliche Missstände, die behoben werden mussten, und ich war sicher, dass es für jedes Problem eine Lösung gab, wenn man nur endlich begann, vernünftig miteinander zu reden, statt immer nur übereinander.
    Aber eine hinterhältige Entführung war ganz bestimmt kein guter Grundstein für den Aufbau einer neuen, gerechten, ehrlichen Weltordnung! Am liebsten hätte ich Markannesch mitten ins Gesicht gespuckt, aber der hatte längst das Interesse an mir verloren und sich vollends Kratt zugewandt, der nun die Achseln zuckte.
    »Ich hatte keine Lust zu warten«, erwiderte er gleichgültig, verneigte sich ebenfalls knapp und deutete mit einem verächtlichen Nicken in meine Richtung. »Die kleine Prinzessin ist auf Dauer unerträglich. Außerdem sollte ich sie möglichst unversehrt herbringen, und es ist wirklich kalt. Sie nützt niemandem mehr, wenn ihre dampfbadverwöhnten Kinderlungen vor einem schlimmen Erkältungsleiden kapitulieren.«
    »Du solltest … was?« Mein Blick schnellte zwischen Markannesch und Kratt umher, doch die beiden ignorierten mich weiterhin. Aber wenigstens war ich nicht die Einzige, der die Irritation aus den Zügen schrie. Die Zwillinge sahen einander fragend an, Golondrin büßte den letzten Rest Farbe ein, Trontos Stirn verwandelte sich in etwas, das an eine Wurzel im fortgeschrittenen Stadium des Zerfalls erinnerte, und Cocha versteifte sich so plötzlich, dass mein Oberarm, den er bis dahin beschwichtigend geknetet hatte, einen großen, violetten Bluterguss davontrug. Selbst hinter Mikkokas Stirn überschlugen sich die Gedanken fast sichtbar.
    Weil Gormo uns überhaupt nicht anhören würde , rekapitulierte ich, was eindeutig eine Lüge gewesen war, auf die wir alle hereingefallen waren. Aber für dich würde er die Türen so weit aufreißen, dass sie aus den Scharnieren brechen … Wir brauchen nur ein Gesicht …
    Es war alles gelogen! Gormo von Montania steckte nicht nur hinter Rossas Entführung, sondern hatte auch mich geradezu bestellt, wie ein bestimmtes Nutztier oder einen besonderen Einrichtungsgegenstand. Und niemand hatte davon gewusst – niemand außer Kratt, der mich, die Ware, lieferte! Ich war nicht nur Kratts Gefangene gewesen, seit ich Silberfels verlassen hatte, sondern auch Gormos Geisel! Und ich hatte es nicht einmal gemerkt. Stattdessen war ich sogar praktisch freiwillig hierhergekommen!
    »Aber was unsere Vollzähligkeit anbelangt«, wechselte Kratt das Thema. »Eine der unseren ist in einem Feuergefecht mit einem Mana Loros gefallen. Eine unschöne Geschichte, die besonders Cocha und Golondrin sehr zusetzt. Auch darum wäre es freundlich, schnellstmöglich einen Raum zu bekommen, in den wir uns zurückziehen können, um uns ein wenig auszuruhen, ehe wir uns weiter unterhalten. Und für ein paar trockene Kleider wäre ich dir ebenfalls sehr dankbar, ehe wir über unsere weiteren Pläne sprechen. Und natürlich über meinen Lohn.«

35
    I ch dachte, dass ein Mensch überhaupt nicht mehr hinterlistiger sein könnte, als Kratt es gewesen war. Immerhin hatte er sogar seine eigene Schwester im Ungewissen über seinen Kuhhandel mit Gormo gelassen. Mikkoka redete darum auch zwei Tage lang nicht mehr mit ihm, und danach in eher unterkühltem Ton, was sich bis zuletzt nicht änderte. Die Akkabäerin war den Paradieslosen sehr verbunden. Sie lebte die Ideen der Abtrünnigen mit Haut und Haar und hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie notfalls auch für ihre Sache töten würde. Und wenngleich sie eine impulsive und gehässige Natur hat, muss ich ihr doch anrechnen, dass

Weitere Kostenlose Bücher