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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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vielleicht tatsächlich die eine oder andere Erklärung liefern würde. Aber das tat er nicht.
    Stattdessen nutzte er eine meiner wenigen Atempausen für eine Frage: »Chita«, erkundigte er sich nämlich, »ist dir eigentlich aufgefallen, dass Anna tot ist?«
    Irritiert schüttelte ich den Kopf. »Natürlich ist es mir aufgefallen«, antwortete ich. »Das war nicht zu übersehen. Ihr Blut klebte auf dem ganzen Deck. Aber was hat das mit mir zu tun? Was kann ich dafür, und was bei allen Sternen am Himmel denkt sich dieser Gormo eigentlich dabei, meinen Bruder und mich …«
    »Es hat überhaupt nichts mit dir zu tun«, fiel Cocha mir gereizt ins Wort. Und es braucht schon einiges, um Cocha zu reizen, wie du vielleicht schon festgestellt hast.
    Aber im ersten Moment verstand ich trotzdem nicht, was ihn so verärgerte. Ich begriff es erst, als er es mir erklärte, und das war eindeutig viel zu spät.
    »Genau das ist der Punkt. Alles, was dich nicht unmittelbar betrifft, berührt dich nicht im Geringsten. Es existiert überhaupt nicht in deinem Universum«, sagte Cocha und schob mich beiseite, um zur Tür zurückzugelangen. »Aber mich berührt es« betonte er mit der Hand auf dem Türknauf. »Seit heute Nacht möchte ich unentwegt schreien und weinen und um mich schlagen und irgendjemanden stellvertretend für das bestrafen, was dein Vater Anna angetan hat. Aber ich tue es nicht. Stattdessen kümmere ich mich um dich und höre dir zu und versuche bei allem eigenen Schmerz, jedes vermeidbare Ungemach von dir fernzuhalten. Dabei hast du es überhaupt nicht verdient, Chita. Du hast es nicht verdient, dass jemand dir zuhört, du hast es nicht verdient, dass sich jemand um dich sorgt, du hast es nicht verdient, dass man dich liebt. Deine Liebe zu dir selbst reicht vollkommen aus.«
    Und damit stampfte er aus der Kammer, schlug die Tür hinter sich zu, dass der Rahmen wackelte, und ließ mich völlig konfus allein zurück. Ich kann dir nicht sagen, was mich in diesen Sekunden mehr aus dem Konzept geworfen hat: Seine harten, wahren Worte, die mich so unvermittelt getroffen hatten, oder der Umstand, dass er einfach aus der Kammer spaziert war, von der ich automatisch angenommen hatte, dass sie fest verschlossen sein müsste. Schließlich war ich eine Geisel, und ich dachte, dass man Geiseln auf jeden Fall irgendwo einsperrt, solange man sie niemandem vorführen muss – vorzugsweise in einem geheimen Verlies oder in einem anderen feuchten Versteck.
    Auf jeden Fall starrte ich noch eine Weile hilflos auf die sperrige Holztür, die noch sekundenlang in den Angeln vibrierte, und eilte ihm dann nach, weil ich mich entschuldigen – oder wenigstens rechtfertigen – wollte.
    Auch mich versuchte erstaunlicherweise nichts und niemand daran zu hindern, den Raum zu verlassen. Ich sah Cocha gerade noch auf der schmalen, steilen Rampe verschwinden, die sich wie ein hohler Wurm von der untersten Plattform über allen Ebenen schlängelte, und setzte ihm so eilig nach, dass ich Markannesch, den ich auf seinem Weg nach oben zu spät erblickte, beinahe über den Haufen rannte.
    Mit erstaunlich kräftigem Griff hielt der Greis mich davon ab, meine Verfolgung fortzusetzen.
    »Scheint, als wollte der Junge von Kirm gern ein wenig in Ruhe gelassen werden«, stellte er kopfschüttelnd fest. »Vielleicht hätte ich euch doch besser in getrennten Kammern unterbringen lassen.«
    »Halt dich raus!«, fuhr ich ihn an und riss mich ungehalten aus seinem Griff. Rücksichtslos versuchte ich, mich in der Enge des Rampenschachts an ihm vorbeizudrängeln, aber Markannesch trat mir ruhig in den Weg. Wollte ich links an ihm vorbei, schritt er nach links, und versuchte ich mich rechts an ihm vorbeizuschieben, stellte er sich eben dorthin. »Was bildest du dir eigentlich ein, du seniler Verräter?«, fauchte ich nach einem Moment voll albernen Herumgehampels. »Geh aus dem Weg und leck Gormo die Füße, bei allen Sternen am Himmel! Mit dir beschäftige ich mich später noch!«
    »Leidenschaftlich wie eh und je«, erwiderte Markannesch mit einem gelassenen Lächeln und dachte überhaupt nicht daran, den Weg freizugeben. »Und kopflos wie immer. Es tut mir leid, wenn ich euch störe. Aber ich dachte, ich nutze die Zeit, in der Rossa seinen Mittagsschlaf hält, um dir ein paar Dinge zu erklären.«
    »Zum Beispiel, was du dir dabei gedacht hast, ihn aus seiner Familie zu reißen, in ein Land voller Primitiver zu verschleppen und zum Barbaren zu erziehen?«,

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