Das Mädchen aus dem Meer: Roman
Flugbahn mit einem silbernen Schweif, in dem Konfetti aus Blattgold und Kupfer, im rechten Moment durch eine eigens zu diesem Zwecke eingerichtete Klappe in der Warenkammer gelassen, im Abendrot glitzerte und funkelte. Die Menge tobte und jubelte und klatschte, und auch ich applaudierte, was das Zeug hielt – noch lange, nachdem das große Mana zwischen den Schäfchenwolken verschwunden war, die es auseinandertrieb wie ein Fuchs eine Herde.
Moijo nahm seine Arbeit wieder auf und redete von Leitfähigkeiten und Energiekreisen, aber ich hörte ihm überhaupt nicht zu. Nicht nur für die kommenden Momente, sondern noch bis zur Schlafenszeit stand ich viel zu sehr unter den großartigen Eindrücken des startenden Manas, als dass ich mich für trockene Erklärungen hätte interessieren können; abgesehen davon, dass Technik ohnehin nie mein Lieblingsfach gewesen war.
Aber es war doch nicht das erste Mal, dass du so etwas gesehen hast, oder?
Nein, das war es nicht. Aber ein Mana starten zu sehen, Froh, das ist jedes Mal etwas ganz Besonderes, etwas unglaublich Großes. Du könntest unmittelbar an einem Start- und Landeplatz wohnen und kämest trotzdem aus dem Staunen nie heraus. Es verliert nie seinen Reiz, kein bisschen. Ein Mana im Himmel zu erblicken, ist schon eine sehr beeindruckende Sache. Noch vor sieben Generationen von Faronen hätte kein Cyprier zu träumen gewagt, dass es dem Menschen tatsächlich einmal möglich wäre, zu fliegen. Ein Mana mit seinem Sternensilber aus der Nähe zu sehen, ist schon sehr imposant. Aber der Start übertrifft alles Vorstellbare, und zwar immer und immer wieder …
Und vielleicht, Froh, mit nur einem bisschen Glück, wirst du noch heute Nacht ein solches Mana sehen. Mit einem bisschen Glück … Oder spätestens morgen, sobald es wieder hell wird.
Sie werden kommen und uns finden, Froh …
Morgen früh.
10
C hita?«
Froh rückte an die schöne Fremde heran und strich ihr mit dem Handrücken über die Wange. Sie war tief in die nassen Leinensäcke gesunken und leicht zur Seite gekippt, sodass ihre Stirn an der Bootswand lehnte. Ihre Haut fühlte sich kalt an.
»Bist du eingeschlafen, Chita?«, erkundigte er sich besorgt. »Geht es dir gut?«
Sie regte sich matt, öffnete die Augen einen Spalt.
»Mmmmh …«, antwortete sie erschöpft. »Ich bin müde, Froh. Und mir ist kalt.«
»Du hast ein anstrengendes Abenteuer hinter dir«, nickte er mitfühlend. Wenngleich wohl kaum etwas von alledem, was sie erzählte, stimmte, war zumindest sicher, dass sie sehr lange und sehr weit geschwommen war, ehe er sie aus dem Meer gefischt hatte, denn er hatte kein Boot gesehen, und die nächste Insel war sehr weit fort gewesen. »Ruh dich aus. Doch bevor du schläfst: Willst du mir noch eines verraten?«
»Mmmmh …«, wiederholte Chita kraftlos, ohne die Lider zu heben.
»Wenn dein Bruder diesem schlimmen Jungen ins Gesicht geschlagen hat, um deine Ehre zu verteidigen,«, erkundigte sich Froh, »weshalb hast du dann trotzdem … schlimme Dinge getan? Du weißt schon: schlimme Dinge mit seinen Zahnhölzern …«
Chita hob eine Braue, ohne die Augen zu öffnen. »Er hatte es verdient«, antwortete sie müde. »Und für die Sache mit Cocha …«, fügte sie seufzend hinzu. »Dafür habe ich mich bei ihm bedankt.«
»Mit einem Geschenk?«, vermutete Froh.
»Mit der Wahrheit«, grummelte Chita und rollte sich noch enger zusammen.
Im silbrigen Schein des Monds sah Froh, dass sie zitterte. Ihr Gewand war noch immer klamm, obwohl die Nacht warm war. Aber er hatte eine Decke dabei, die halbwegs trocken geblieben war, weil er darauf gesessen hatte, um sich das Steißbein nicht am harten Holz des Baumboots wundzuscheuern. Diese breitete er nun fürsorglich über ihr aus, was sie mit einem dankbaren Lächeln quittierte.
»Mit der Wahrheit?«, hakte er neugierig nach. »Was ist die Wahrheit, Chita?«
»Die Wahrheit ist«, antwortete Chita und schmatzte kurz, wie auch Frohs Vater es im Schlaf ständig tat, »dass ich seinem Pferd mit den Hölzern in der Nase gebohrt habe. Das habe ich ihm gesagt. So stand es ihm frei, sich ein paar neue Hölzer bringen zu lassen.«
»Oh«, machte Froh ein wenig enttäuscht. »Bevor oder nachdem er sie zum nächsten Mal brauchte?«
»Danach«, antwortete Chita, ehe sie endgültig ins Reich der Träume entschwand. » Einen hatte ich ja wohl wirklich gut …«
Froh schüttelte seufzend den Kopf, lehnte sich ins Heck seines Baumboots und sah in den
Weitere Kostenlose Bücher