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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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voller Backwaren und Obst herbei, den sie zu unseren Füßen abluden. Cochas Vater hatte sich um Ersatz gekümmert, wofür ich ihm sehr dankbar war. Mir fiel ein Stein vom Herzen – nun hatte ich nur noch ein wenig Mitleid mit den Kindern, die irgendwo in unserem Karren festsaßen und nicht an den Feierlichkeiten würden teilnehmen können. Zumindest nicht vom Balkon aus. Außer mit meinen blöden Basen natürlich.
    Der rechte Balkon füllte sich, die Musik wurde lauter, und als schon der erste, mit bunten Papierlampen, Tüchern und glitzernden Windspielen geschmückte Wagen über den Marktplatz rollte, nahmen endlich auch meine Eltern und ihre Begleiter ihren Platz ein. Die Menschen unter uns jubelten und kreischten vor Verzückung und wussten überhaupt nicht, wohin sie zuerst sehen sollten – zu den Wagen und den Menschen, die sie begleiteten und ebenfalls in herrlich bunten, fantasievollen Kostümen steckten, oder zu meinen Eltern hoch oben auf dem Balkon.
    Auf dem ersten Wagen war ein Katapult angebracht, das, sobald die Konstruktion vor dem Haupteingang angelangt war, eine riesige Kugel aus dünnem Pergament in die Luft schleuderte. Ein stumpfer Bolzen, abgefeuert von einem Krieger, der auf dem Dach irgendwo über uns auf seinen Einsatz gewartet hatte, durchbohrte die Kugel, aus der sich sodann Milliarden hauchfeiner Metallspäne glitzernd und funkelnd über den Platz vor dem Rathaus ergossen. Und das wiederum war unser Zeichen. Es ging los.
    Sora und ich langten in den Korb und schleuderten Zuckergebäck und Obst auf den Wagen und die Gruppe verkleideter Tänzer, die ihm folgte. Kinder rissen sich von den Händen ihrer Eltern los, drängelten sich zwischen den Wachen hindurch, die für ein Mindestmaß an Sicherheit und Ordnung sorgten, warfen sich auf die Gaben, die da vom Himmel gefallen waren, und klaubten vom Boden auf, was auch immer sie in die Hände bekamen, ehe schon der nächste Festwagen, gezogen von zwei Ochsen mit vergoldeten Hörnern, heranratterte. Seidene Tücher in Rot- und Gelbtönen flatterten halb nackten Feuerspuckern um die Lenden, die darauf standen und jonglierten und spuckten und schluckten, was Lippen und Zungen aushielten. Wir mussten aufpassen, unsere Gaben nicht in die Flammen zu werfen, und die Kinder, die sie schließlich wieder vom Boden zu sammeln versuchten, mussten achtgeben, dass sie sich nicht verbrannten, denn auch aus mehreren Rohren, die am Heck dieses Wagens angebracht waren, der auf die zahlreichen Feuergötter der Welt anspielte, züngelten Flammen.
    So ging es weiter. Dem Wagen der Feuergötter folgte der der Fruchtbarkeitsgöttinnen, der besonders den Männern gut gefiel, wie du dir vielleicht vorstellen kannst. Und dann kam der Wagen der Schlangengötter, Sonnengötter, Götter des Wassers und der Fische und der Drachen und was auch immer den Primitiven der Welt in den vergangenen Jahrhunderten noch alles an Gottheiten eingefallen war, und einer war schöner als der andere. Die Knaben brachten bald einen zweiten Korb, einen dritten, einen vierten … Sora und ich schwitzten und bekamen schwere Arme, erlaubten uns aber keine Pause. Schließlich mussten wir ohne die anderen Kinder auskommen. Und Cocha half uns auch nicht.
    Als ich ihn über die Schulter hinweg dazu aufforderte, schüttelte er nur den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich verstand ihn nicht. Es war eine Ehre, mit uns hier oben zu stehen, und die meisten Kinder hätten ihre liebsten Spielsachen dafür gegeben, nur eine einzige Handvoll Süßigkeiten auf die Wagen hinabschleudern zu dürfen.
    »Da!«, rief Sora plötzlich aufgeregt und deutete auf den übernächsten Wagen, der aus einer Gasse auf den Platz rollte. »Das ist unserer! Siehst du, Chita? Der Rah-Wagen! Los! Nimm so viel Süßkram, wie du kannst!«
    Ich ließ mich nicht zweimal bitten.
    Als ich mich über den Korb beugte und mit beiden Händen hineinlangte, spie Cocha mir auf die Finger.
    Ich erstarrte, und Sora, der es aus den Augenwinkeln gesehen hatte, wirbelte herum, sprang über den Korb und ließ die geballte Rechte auf Cochas sonnenverbrannte Nase krachen, ohne das Gebäck, das er gerade hatte werfen wollen, vorher loszulassen. Die süßen Krümel vermengten sich mit dem Blut, das jäh aus Cochas Nase schoss, und er kippte um wie ein gefällter Baum – oder wäre zumindest umgekippt, wenn er nicht gegen Mojio gestürzt wäre, der ihn auffing und auf die Füße zurückstellte.
    Allerdings nur, um ihm eine schallende

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