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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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heimzuzahlen. Oder besser: Sie haben mir gezürnt. Dass ich dich vor dem Ertrinken gerettet habe, hat sie offenbar ein wenig besänftigt. Sie haben mir ein Zeichen gegeben.«
    Er machte eine Geste in Richtung des Himmels – dorthin, wo das Mana hinter dem Ende der Welt verschwunden war.
    »Es gibt keine …«, begann Chita erneut, brach aber ab, als sie in sein unerschütterlich lächelndes Gesicht blickte. Hinter ihrer Stirn arbeitete es sichtlich. Dann versteinerte sie für einen Moment zu einem kunstvoll behauenen Megalithen.
    Froh legte den Kopf schräg. »Geht es dir gut?«, erkundigte er sich.
    Langsam, wie in Trance, beugte sich Chita zu ihm vor und ließ eine Hand auf seine Schulter sinken. »Wie lange, Froh?«, flüsterte sie ungläubig. »Seit wann bist du schon unterwegs?«
    Frohs Mundwinkel rutschten nach unten, und die Enden seiner buschigen Brauen verklumpten über seiner Nasenwurzel zu einem kleinen Pelztier, während er angestrengt überlegte. Trotzdem konnte er ihr diese Frage letztlich nicht beantworten.
    »Ich weiß es nicht«, gestand er nach einer Weile. »Viele Nächte. Aber es ist nicht wichtig für mich. Zeit ist nur eine Idee. Warum sollte ich sie zählen?«
    Chita presste die Lippen aufeinander, zog ihre Hand zurück und ballte sie zur Faust. »Oh, ich selbstverliebte dumme Gans«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich war so ignorant! Ein Makateke! Hier, so nah bei Lijm und Jama! In einem Baumboot ! Und ich habe mich keine einzige Sekunde gefragt, wie er hierhergekommen ist …« Sie richtete das Wort wieder an Froh, der ihr freundlich zulächelte. »Am Morgen aufgebrochen und von der Welle mitgerissen – das habe ich angenommen. Aber es ist ganz und gar unmöglich. Keine Welle, und sei sie noch so mächtig und wütend, kann einen ausgehöhlten Baumstamm an weniger als einem Tag weiter treiben, als ein Mani in einer Woche fahren kann. Du bist seit einer halben Ewigkeit hier draußen, Auge in Auge mit dem Tod durch Verhungern und Verdursten und dem Meer und den Monstern, die darin leben – und dann lässt du einfach zu, dass ich dein letztes Wasser trinke! Schande über mich! Warum, Froh?«
    Sie beugte sich wieder vor, packte ihn an beiden Schultern und schüttelte ihn so kräftig, dass seine Zähne aufeinanderschlugen. Es schien, als richtete sie ihren Selbstzorn nun auf ihn, aber das machte ihm nichts aus. Sie war verwirrt und geschwächt – zudem trieb ihr Verstand irgendwo da draußen in den Fluten. Bis sie an Körper und Geist genesen war, würde er sich in Nachsicht üben. Und danach bestimmt auch, denn sie war nicht nur wunderschön, sondern allem voran und ganz ohne Zweifel eine Aufgabe, die die Götter ihm überlassen hatten, um ihm eine Chance zu geben, zu beweisen, dass er doch kein schlechter Mensch und seine Seele das endlose Glück und den Frieden im Jenseits wert war. Bis zur letzten Sekunde würde er diese Chance nutzen.
    »Warum hast du mir nichts gesagt, Froh?«, schnappte Chita, während sie ihn schüttelte. »Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du seit Wochen oder Monaten unterwegs bist? Und wie konntest du so lange überleben?«
    Froh wartete ab, bis sie aufhörte, ihn zu schütteln. Dann antwortete er: »Die Götter wollten meinen Tod noch nicht. Und: Du hast mich nicht danach gefragt.«
    Chita starrte ihn an. Er hielt ihrem Blick stand. Irgendwann rutschte sie mit einer hilflosen Geste wieder ins Heck des Bootes zurück.
    »Du hast mich auch so vieles nicht gefragt«, stellte sie anklagend fest, »und trotzdem habe ich dir so viel von mir erzählt!«
    »Das ist es ja«, wandte Froh ruhig ein. »Du hast die ganze Zeit geredet. Wann hätte ich dir etwas erzählen sollen? Aber das macht nichts. Es ist sogar richtig so«, winkte er ab. »Außerdem war mein Leben nie besonders aufregend. Ich bin kein wertvoller Mensch, ich bin nicht wichtig. Einzig das Ende war ein wenig … aufwühlend.«
    »Sprich nicht in der Vergangenheit von deinem Leben«, ermahnte ihn Chita. »Du lebst noch immer, und wir beide, du und ich, wir werden das hier überstehen. Unsere Zukunft ist groß. Und du wirst wichtig sein, das verspreche ich dir. Wenn nur endlich ein Mani hier aufkreuzt …
    Vermutlich ist alles, was sich irgendwie über Wasser halten kann, längst auf der Suche nach Überlebenden der Katastrophe. Bestimmt sind wir nicht die Einzigen, die sehnsüchtig auf Hilfe warten; möglicherweise dauert es doch ein wenig länger, als ich anfangs gehofft habe.

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