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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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protestierte ich und sprang gleich wieder auf. »Ich will den Flug durchs Fenster …«
    Aber auch diesen Satz sprach ich nicht zu Ende. Meine Knie wurden taub, und der Steuerraum begann sich um mich zu drehen. Dann übergab ich mich vor Cochas Füße.

17
    F lugangst ist etwas ganz Entsetzliches. Es vermiest einem das ganze Vergnügen, das kannst du mir glauben. Ich hätte das Meer von oben sehen können, und natürlich unsere Insel, denn Silberfels liegt nicht auf Jama, sondern im Zentrum von Lijm. Ich hätte die Wolken vorüberziehen und die Manis wie winzige Käfer durch die Fluten kriechen sehen können. Aber alles, was ich während der zweistündigen Reise sah, war mein Erbrochenes zu unseren Füßen.
    Ich hing zusammengekauert auf meinem Platz und vermochte den Kopf nur selten zu heben – und wenn, dann gerade so weit, dass ich die Hintern des Piloten und des Ersatzmanns sehen konnte. Die beiden waren solcherlei Kummer mit Fluggästen anscheinend gewohnt, und es war ihnen offenkundig auch herzlich egal, dass ich nicht irgendein Fluggast war, sondern die Tochter des Faros: Sie reagierten in keiner Weise, während ich vor mich hinwimmerte und nicht einmal dagegen wehrte, dass Cocha seinen Arm um meine Schultern legte und mir beruhigend die Oberarme kraulte. Sie wischten auch mein Erbrochenes nicht auf, was zur Folge hatte, dass ich mich vor lauter Ekel auf das Er brochene erbrach, bis es nichts mehr zu erbrechen gab. Aber besser fühlte ich mich danach nicht. Es ging mir sogar zu schlecht, um mich ernsthaft über das ignorante Verhalten des Piloten und des Ersatzmanns zu ärgern, geschweige denn zu beklagen.
    Und es sollte noch schlimmer kommen.
    Wir hatten Silberfels fast erreicht (was ich nur wusste, weil Cocha es mir tröstend ins Ohr geflüstert hatte), als die Stotterer kamen.
    Stotterer sind kleine Drachen. Sie sind zwar gefiedert (und das sogar ziemlich bunt), zählen aber trotzdem zu den Reptilien, denn sie haben lange, geschuppte Schwänze, und außerdem Klauen, mit denen sie nicht nur fest zupacken, sondern auch Dinge in ihre ebenfalls schuppigen Schnauzen führen können, in denen viele, kleine, nadelspitze Zähne blitzen. Ich weiß: Das klingt sehr bedrohlich – insbesondere, wenn man zu viele Geschichten von richtigen feuerspeienden Drachen gehört hat …
    Der Medizinmann ist einmal einem begegnet.
    Ist er nicht. Das erzählt er euch nur, um euch zu imponieren. Die letzte große Drachenart, die Feuer spucken konnte, war der Breitmaulreißer. Aber der ist seit ein paar Jahrzehnten ausgestorben. Meine Mutter hat den letzten in einem Tierpark bewundert und oft davon erzählt. Insbesondere von dem Gestank, der aus dem Käfig strömte, wenn der Breitmaulreißer Feuer spie. Er hat gerülpst, weißt du? Er hat ein brennbares Gas ausgestoßen und im richtigen Augenblick die Kiefer aufeinandergeschlagen – seine Zähne funktionierten wie Feuersteine. Dann gab es tatsächlich eine Stichflamme. Aber da war natürlich ein Graben zwischen dem Käfig und den Besuchern des Parks, sodass diese Flammen niemanden gefährdeten. Anders der Gestank … Aber ich schweife schon wieder ab.
    Stotterer sind keine Drachen mehr, aber auch noch keine Vögel. Und eigentlich sind sie vollkommen harmlos, solange man sie nicht provoziert. Sie umkreisen die Gipfel oder Hügelspitzen, auf denen sie brüten, und mit ihrem schillernden Gefieder sind sie dabei sogar recht hübsch anzusehen. Im Gegensatz zum Breitmaulreißer sind sie zwar Fleischfresser, aber sie beschränken sich in aller Regel auf Kleintiere, die kein Mensch braucht: Mäuse, Ratten, Hamster, Lurche und kleine Nattern. Nur selten verirrt sich einer von ihnen in die unmittelbare Nähe einer menschlichen Siedlung und stiehlt ein Huhn oder einen Hasen. Und wenn, dann lassen sie sie meistens gleich wieder fallen, weil sie zu groß und zu schwer für sie sind. Schließlich haben sie gerade einmal eine Flügelspannweite von einer Armeslänge. Wir nennen sie Stotterer, weil sie Laute von sich geben, die wie das Stottern eines Simpels klingen.
    Ich sah sie nicht, als sie sich unserem Mana näherten. Aber hören konnte ich sie sehr gut, obwohl die Maschine, die das Mana mithilfe des Sternensilbers antreibt, nicht eben leise ist. In meinen Ohren klang ihr Stottern, als ob sie mich auslachten. Als ob sie mich dafür verhöhnten, dass ich so sehr unter der schwindelnden Höhe, in der wir uns bewegten, litt, während sie ihnen selbst natürlich nicht das Geringste ausmachte. Es

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